Die Porzellanmalerin
hoch.
»Sie sind doch Porzellanmaler, oder nicht? Probieren Sie’s mal drüben in der Fayencemanufaktur! Die suchen auch Leute, habe ich gehört. Die Herrschaften, für die mein Bruder als Kutscher arbeitet, wollten ein Service bestellen, und man hat ihnen gesagt, im Moment könnten sie keine neuen Aufträge annehmen, weil sie zu wenig Maler hätten.«
Ein Stein fiel Friederike vom Herzen, am liebsten wäre sie der Überbringerin dieser wunderbaren Nachricht vor aller Augen um den Hals gefallen. Mit etwas Glück und Geschick würde also auch sie in Hanau bleiben können, ohne verhungern zu müssen.
Obwohl: Fayence war natürlich das Allerletzte. Ein grobes, unmodernes Material. Nicht zu vergleichen mit Porzellan, dem »weißen Gold«.
Überschwänglich bedankte sie sich bei der Magd für den Hinweis und ließ sich von ihr auch noch den Weg zur Manufaktur beschreiben und den Namen des Direktors nennen. Henrich van Alphen sei Flame, erfuhr sie, aber seine Familie lebe schon seit über hundertfünfzig Jahren in Hanau.
Die Wirtin kam mit dem Weinkrug an ihren Tisch, um die Becher nachzufüllen. Friederike merkte, dass ihr der Alkohol allmählich zu Kopf stieg. Eine wohlige Wärme hatte sich in ihr ausgebreitet. Sie wollte nicht vom Tisch aufstehen müssen. Sie wollte ewig mit ihren neuen Freunden in der Schänke herumsitzen, Wein trinken und sich warm und sicher fühlen. Warum nur war sie so dumm gewesen, mitten im Winter allein auf einem Pferd eine so weite, gefährliche Reise anzutreten?
»Die Postkutsche ist im Schnee stecken geblieben«, wechselte Michael das Thema. Seine Stimme klang belustigt. »Mitten auf der Strecke zwischen Dörnigheim und Kesselstadt. Die feinen Herrschaften mussten in ihren Schläppchen durch Tiefschnee stapfen.«
Er sprang auf und machte, spitze Schreie ausstoßend, ein paar tänzelnde Schritte um den Tisch. Nicht schlecht, schmunzelte Friederike. Ihre Mutter oder Charlotte würden sich wahrscheinlich genau so verhalten, wenn sie in eine solche Situation gerieten.
»Wir haben versucht, die Kutsche aus der Schneeverwehung rauszuschieben, aber da war nichts zu machen«, fügte Wilhelm hinzu.
»Das sieht nicht gut aus für Sie, Herr Rütgers!«, rief die Wirtin Friederike zu. Sie hatte ihre Pfeife aus dem Mund genommen, weil offenbar sogar sie selbst einsehen musste, dass es sich damit nicht gut sprechen ließ. »Und ob der arme Hollweg weit kommt, frage ich mich auch …«
Sensationslust und ernste Besorgnis spiegelten sich auf ihrer Miene, als sie den Handwerkern von dem Überfall auf Friederike zu erzählen begann. Die Männer schienen aufrichtig beeindruckt.
»Mensch, Friedrich!«, grölte Michael und klopfte ihr auf den Rücken, dass sie zusammenzuckte. »Da hast du ja ganz schön was mitgemacht!«
Mit großen Schlucken trank er sein Glas aus und machte der Wirtin ein Zeichen, dass sie ihm nachschenken sollte.
Wilhelm rutschte jetzt unruhig auf der Bank hin und her.
»Wir sollten aufbrechen. Wir sind verpflichtet, uns sofort bei Ankunft zu melden.«
»Ach, vergiss es, Wilhelm!«, murmelte Michael und nahm einen weiteren großen Schluck aus seinem Glas.
Johann lächelte nur selig vor sich hin und machte ebenfalls keine Anstalten aufzustehen.
»In der Nähe von Straßburg sind wir auch mal überfallen worden«, tönte Michael nun. »Aber das ging nicht so glimpflich aus. Einer aus unserer Gruppe war den Räubern zu frech. Und zack - haben sie ihn erschlagen.«
Der kalte Luftschwall, der durch die geöffnete Tür kam, als ein neuer Gast die Stube betrat, brachte Friederike wieder zur Besinnung.
»Wo ist denn die Poststation?«, wandte sie sich an die Wirtin. »Ich möchte nachfragen, ob morgen wieder eine Kutsche fährt. Vielleicht hört es ja heute Nacht auf zu schneien.«
»Da müssen Sie in die Neustadt rüber.« Während sie Friederike den Weg erklärte, nahm die alte Frau dem Neuankömmling den Mantel ab und wies ihm einen Tisch zu. »Sie gehen erst nach links, dann nach rechts. Dann überqueren Sie den Rathausplatz und laufen geradeaus weiter. Wenn Sie bei der Stadtmauer sind, gehen Sie vor zum Tor, und schon sind Sie in der Neustadt.«
»Vielleicht sollte ich eine Portechaise nehmen?«, überlegte Friederike laut.
Für einen Moment fühlte sie lauter erstaunte Blicke auf sich ruhen. Dann brach die versammelte Mannschaft in schallendes Gelächter aus. Sogar die längst wieder in ihre Arbeit vertiefte Magd sah belustigt von ihrem Spinnrad auf. Wieder sprang Michael
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