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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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erreicht! Was auch immer die nächste Zeit bringen würde: Es war richtig, dass sie aus Meißen geflohen war!
    Friederike blieb stehen und ließ die kalte Winterluft in ihre Lungen strömen. Langsam atmete sie aus und wandte den Blick vom Fluss zu der steil aufragenden Festungsmauer. Sie hatte alles versucht, um ihren Traum zu verwirklichen, mehr konnte sie nicht tun. Nun würde das Schicksal entscheiden müssen, ob wirklich eine Künstlerin aus ihr wurde.
     
    D ie Kronengasse zu finden, in der Josefine Heller, geborene Beyer, laut Schilderung ihres jüngeren Bruders in einem schmalen Fachwerkhäuschen logierte, war nicht weiter schwierig gewesen. Staunend hatte Friederike vor dem handtuchbreiten Gebäude mit dem schiefen Querbalken über der Eingangstür gestanden und sich gefragt, wie hier mehr als eine Person wohnen konnte, als sich auch schon ein blonder Lockenkopf in einem der beiden oberen Fenster zeigte.
    »Guten Tag, junger Mann. Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
    Die Stimme klang hell und freundlich, mit einer leichten hessischen Einfärbung.
    »Ihr Bruder schickt mich, gnädige Frau.«
    Friederike legte den Kopf in den Nacken und hielt sich die Hand wie einen Schirm vor die Augen, um ihre künftige Wirtin besser betrachten zu können.
    »Friedrich Christian Rütgers ist mein Name. Ich bin Porzellanmaler und komme geradewegs aus Meißen, um hier in Höchst Anstellung zu finden. Aber zunächst brauche ich ein Quartier …«
    Josefine zeigte zwei Reihen spitzer weißer Zähne und ein ebenso milchfarbenes, vollendet geformtes Dekolleté, während sie sich noch ein Stückchen weiter aus dem Fenster beugte.
    »Sie haben Glück, Herr Rütgers«, lachte sie auf Friederike herab, »mein letzter Untermieter, ein Kollege von Ihnen - ich
glaube sogar, ein recht berühmter - hat sich bei den Höchstern ziemlich unbeliebt gemacht, indem er eins unserer Mädchen nicht nur geschwängert, sondern sie auch noch sitzen lassen hat. Von einem Tag auf den anderen war der verschwunden …« Sie kicherte. »Immerhin hat er wenigstens mir gegenüber Anstand gewahrt und mir den halben Dezember ausbezahlt, bevor er sich auf sein Pferd geschwungen hat und davongeprescht ist, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Grad ein paar Tage ist er weg …«
    Wer das wohl gewesen sein mochte, fragte sich Friederike und stimmte in Josefine Hellers fröhliches Gelächter ein. Sie ließ sich die frei gewordene Dachkammer zeigen, dankte Gott, dass sie keinen Fingerbreit größer gewachsen war, weil sie in dem winzigen Zimmerchen sonst bestimmt Zustände bekommen hätte, und drückte der lustigen Witwe fünf Taler als Anzahlung für die Miete in die Hand.
     
    W eniger als eine Stunde später stand sie vor den Toren der Höchster Porzellanfabrik, die sich unmittelbar an der Stadtmauer befand. Das ehemalige Wohnhaus war zwar vergleichsweise herrschaftlich mit seinem großen Speicher, dem Brauhaus und dem Kellergewölbe, aber gegen die Produktionsstätte in der Meißener Albrechtsburg kam es beileibe nicht an.
    Friederike schmunzelte. Sie musste an die Worte ihres Vaters denken, der sich erst vor wenigen Monaten bei einem Essen im Kreise der erweiterten Familie über den Mainzer Kurfürsten Johann Friedrich Carl von Ostein und seinen merkantilen Ehrgeiz lustig gemacht hatte. Dieser hatte 1746 in Erwartung nennenswerter wirtschaftlicher Erfolge für sein Land und unter großem Pomp und formalem Aufwand dem aus Meißen stammenden Porzellanmaler Adam Friedrich von Löwenfinck das Privileg erteilt, in Höchst eine Porzellanmanufaktur zu errichten. Statt auf der Stelle »weißes Gold« zu produzieren und seine alten Kollegen in Meißen das Fürchten zu lehren, hatte von Löwenfinck
sich erst einmal in einige amouröse Abenteuer verstrickt, bis er schließlich ausgerechnet eine Fayencemalerin geehelicht hatte, die noch dazu Tochter des fürstäbtlichen Kammerherrn und Hoflackierers von Fulda war. Nachdem zwei von Adam Friedrich von Löwenfincks Malern sich im Gasthaus »Zur Krone« offenbar ebenfalls um die Gunst eines schönen Frauenzimmers bis aufs Blut gestritten hatten und es zu einem Duell mit beinah tödlichem Ausgang gekommen war, hatte auch das Ansehen des Manufakturgründers starken Schaden genommen, zumal er noch immer kein Porzellan zustande gebracht hatte. Zwei Jahre später war er auf Betreiben seines Kompagnons, des Frankfurter Kaufmanns Christoph Göltz, endgültig von der Bildfläche verschwunden, und erst der aus Wien herbeigeeilte

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