Die Porzellanmalerin
Arkanist Johann Kilian Benckgraff hatte zusammen mit seinem Ofenbauer Josef Ringler den porzellanlüsternen Kurfürsten wieder Mut schöpfen lassen, dass auch er sich eines Tages als großer Förderer der Künste und schönen Dinge im Ausland würde hervortun können.
Ob der Kurfürst nun endlich zufrieden war?, fragte Friederike sich, während sie neugierig das zweistöckige Haus mit den beiden vorgelagerten Anbauten musterte. Immerhin hatte Benckgraff wenige Wochen zuvor gezeigt, dass er sein Geld wert war, indem er tatsächlich schon nach kurzer Zeit auch in Höchst echtes Porzellan hergestellt hatte. Sie ließ ihren Blick über das Anwesen schweifen. In den beiden niedrigen Gebäuden konnten sich nur die Brennöfen befinden, schloss sie anhand der hoch aufragenden Schornsteine. Ihre Vermutung wurde von einem Mann in Arbeitskluft bestätigt, der mit einem Stapel Holzscheite auf der Schulter aus dem Schuppen trat und zielstrebig auf den linken Anbau zuging. Auf der Türschwelle drehte er sich plötzlich zu ihr um.
»Kann man etwas für Sie tun, werter Herr?«
»Äh, ja … Guten Tag. Mein Name ist Friedrich Christian Rütgers. Ich bin …«
»Ach, Sie sind bestimmt aus Meißen und wollen sich vorstellen, was? Da gehen Sie am besten gleich zu Benckgraff. Er sitzt im ersten Stock, dritte Tür rechts. Da vorne ist die Treppe.«
Aufmunternd nickte der Mann ihr zu und deutete mit dem Kinn in Richtung Haupthaus. Sie hatte ihn für einen Holzhacker gehalten, der für die Befeuerung der Öfen zuständig war, aber weder seine Sprache noch die formvollendete Geste, mit der er ihr nun die Tür aufhielt, deutete auf eine einfache Herkunft hin.
Ihr Gegenüber schien ihre Unsicherheit bemerkt zu haben.
»Ich bin übrigens Johannes Zeschinger, Maler und Staffierer. Wir werden bestimmt noch öfter das Vergnügen haben …«
Er war schon fast in der Brennerstube verschwunden, als er sich noch einmal umdrehte und ihr über die Schulter zurief:
»Übrigens viel Glück! Der Alte hat heute keinen guten Tag …«
Zögernd stieg sie die knarrenden Holzstufen hinauf in den ersten Stock. Der lange Flur führte an einer offenen Tür vorbei, die den Blick auf einen Dreher an einer Töpferscheibe freigab. Der Mann sah und hörte sie nicht, so vertieft war er in seine Arbeit. In der benachbarten Kammer befanden sich mehrere Tische mit roh gebranntem Geschirr, das auf seine Bemalung und Glasierung wartete. Stapelweise Teller standen auf dem Fußboden herum, während die beiden breiten Fensterbänke von nackten Figürchen in den unterschiedlichsten Ausformungen bevölkert waren. Friederike meinte sogar, einen kleinen Chinesen erkannt zu haben, der den von ihr bemalten aus Meißen täuschend ähnlich sah.
»Der wartet wohl auf mich!«, sagte sie halblaut zu sich selbst, als eine Stimme in ihrem Rücken knurrte:
»Wer wartet hier auf Sie, junger Mann?«
Friederike fuhr herum. Dicht hinter ihr stand eine Gestalt, die auf den ersten Blick nur abstoßend auf sie wirkte: wirres graues Haar, das sich fast vollständig aus dem Zopf gelöst hatte, Knollennase, funkelnde kleine Augen.
»Was haben Sie überhaupt hier zu suchen?«, fuhr der Mann unwirsch fort. »Unbefugte haben in der Porcellaine-Fabrique keinen Zutritt!«
Das konnte nur Benckgraff sein! Ihre Gedanken überschlugen sich. Der herrische Ton, das Alter des Mannes, die offenkundig schlechte Laune … Wie es aussah, war sie vom Regen in die Traufe gekommen. Gegen diesen mürrischen Waldschrat war Helbig geradezu ein Ausbund an Charme gewesen.
Der Mann schien das Entsetzen in ihrem Blick bemerkt zu haben. In etwas versöhnlicherem Tonfall erklärte er:
»Sie müssen wissen, wir haben es hier ständig mit ungebetenen Gästen zu tun, Leuten, die uns ausspionieren wollen. Alle sind sie darauf aus, das große Geheimnis zu lüften. Arkanum, Arkanum - als wäre es eine Zauberformel! Na ja, ist es in gewisser Weise ja auch …«, brummte er vor sich hin. »Wobei - sicher nicht mehr lange. Jetzt, wo Ringler … Aber was rede ich da?!«
Er schüttelte sich, als wollte er sich besinnen. Friederike sah ihm an, dass er sich über sich selbst ärgerte, weil er einem völlig Fremden Einblick in seine Gemütslage gestattet hatte.
»Womit kann ich dienen, junger Mann?«
Seine Stimme klang jetzt nur noch geschäftsmäßig.
»Ich komme aus Meißen, Friedrich Christian Rütgers ist mein Name, ich bin Porzellanmaler …«
Eine halbe Stunde hatte ihre Unterredung gedauert. Benckgraff hatte
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