Die Porzellanmalerin
zeigen Sie mal, was Sie können …«
Drei Stunden Zeit hatte ihr der Meister zur Verfügung gestellt, um einen kleinen Teller mit Streublumen und eine Poseidon-Figur zu bemalen. Außerdem sollte sie eine Landschaftsskizze anfertigen. Mindestens zehn Mal war Benckgraff in das kleine Zimmer neben dem Töpferraum gekommen, in dem er sie zum Malen abgestellt hatte, um sich von ihren Fortschritten zu überzeugen. Seine Stimmung hatte sich mit jeder Viertelstunde sichtlich gebessert. Auch Johannes Zeschinger hatte sich mehrmals scheinbar zufällig blicken lassen.
Es dämmerte bereits, als der Manufakturdirektor und Friederike sich endlich handelseinig geworden waren: Sie würde drei Tage später in der Porcellaine-Fabrique zu Höchst ihre erste Stelle antreten. Vorerst würde sie als Blumenmaler beginnen, jedoch mit der Aussicht auf mehr. Je nachdem, wie zufriedenstellend ihre Arbeit war, könnte sie später auch Figuren oder Landschaften malen. Ihr Gehalt würde 160 Reichstaler betragen. Für Logis müsste sie selbst sorgen, aber verköstigt würde sie während des zwölfstündigen Arbeitstages im Betrieb. Und - so lautete das strenge Gebot - kein Wort zu niemandem über ihre Tätigkeit! Sollte sie ihrer Verschwiegenheitspflicht nachweislich nicht nachkommen, würde dies mit sofortiger Kündigung sowie einer Geldbuße geahndet werden.
Per Handschlag besiegelten sie ihre Vereinbarung. Fast meinte Friederike, eine Art Lächeln auf den Lippen ihres künftigen Arbeitgebers gewahrt zu haben. Er war zwar ein alter Griesgram - ganz wie man ihr bereits in Meißen erzählt hatte -, aber gewiss kein Unmensch. Und er verstand etwas von seinem Fach.
Sie hatte das Gefühl, nicht das schlechteste Los gezogen zu haben, als die Tür der Manufaktur endlich hinter ihr ins Schloss fiel.
K aum stand sie auf der Straße, bemerkte sie, dass ihr fast schlecht vor Hunger war. Und vor Aufregung, wie sie sich eingestehen musste - nun, da alles überstanden war. Aber wo sollte sie jetzt etwas zu essen herbekommen? Zumal sie nur noch zwei Taler in der Tasche hatte und es bereits ziemlich spät am Abend war. Mit wackeligen Knien und flauem Magen lief Friederike orientierungslos durch die engen Gassen, bis sie irgendwann wie durch ein Wunder vor ihrem neuen Domizil stand. Hinter dem Fenster im Erdgeschoss flackerte noch Licht. Auf ihr Klopfen hin öffnete Josefine Heller im Schlafrock die Haustür.
»Friedrich! Da sind Sie ja endlich! Eigentlich wollte ich mit dem Essen auf Sie warten, aber irgendwann war ich so hungrig, dass ich mich nicht mehr zurückhalten konnte. Natürlich habe ich Ihnen etwas übrig gelassen: eine Höchster Spezialität, Rinderbraten in Apfelweinsauce. Es gibt auch noch ein Glas Rotwein, wenn Sie mögen.«
Dankbar strahlte Friederike ihre neue Wirtin an, nachdem sie in der gemütlichen kleinen Küche an dem Holztisch Platz genommen und die ersten Bissen hinuntergeschlungen hatte.
Hier ließ es sich leben, kein Zweifel. Endlich war sie am Ziel ihrer Wünsche angelangt: Sie hatte ihre Leidenschaft zu ihrem rechtmäßigen Beruf gemacht, bekam für ihre Lieblingstätigkeit ein ehrliches Gehalt - wenn auch kein üppiges -, und noch dazu schien sie in ihrer neuen Heimat ein hübsches Zuhause mit einer überaus angenehmen Wirtin gefunden zu haben, die obendrein eine gute Köchin war. Jetzt musste es ihr nur noch gelingen, diesen Giovanni aus ihrem Hirn zu vertreiben …
Ihre Züge verdüsterten sich. Hastig nahm sie einen Schluck aus ihrem Rotweinglas. Josefine, der ihr plötzlicher Stimmungswandel offenbar nicht entgangen war, blickte sie fragend an.
Nein, sie durfte nicht zulassen, dass die Erinnerung an den Italiener ihre Zukunft belastete, rief Friederike sich zurecht. Sie musste diesen unzuverlässigen Hasardeur so schnell wie möglich
vergessen. Kurz flackerte das Bild Richard Hollwegs vor ihrem inneren Auge auf. Auf ihn war bestimmt mehr Verlass als auf Giovanni. Aber um Hollweg ging es ihr ja gar nicht, abgesehen davon würde sie ihn wohl kaum je wiedersehen.
Sie führte die Gabel zum Mund. Vergiss die Männer, verordnete sie sich energisch kauend, du brauchst sie nicht! Du hast die weite Reise bis nach Höchst ganz allein durchgestanden. Jetzt, wo du dein Ziel erreicht hast, wirst du auch deinen weiteren Weg ganz allein gehen können. Niemand wird dich mehr daran hindern, das zu tun, wovon du immer geträumt hast.
»Genau!«, unterbrach Josefine die Gedanken ihres Gastes. »Ich habe zwar nicht die geringste
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