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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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alles wissen wollen: für wen sie in Meißen gearbeitet, welche Motive sie vorzugsweise gemalt, was sie von diesem oder jenem Kollegen gehalten hatte. Nicht nur ein Mal hatte sie befürchtet, er würde ihr die mehr oder weniger zurechtgeflunkerte Erwiderung nicht abnehmen, schließlich konnte sie in den meisten Fällen lediglich auf Georgs Erzählungen zurückgreifen und seine Erlebnisse als die ihren ausgeben.
    »Nun, dann wollen wir uns mal Ihr Zeugnis anschauen«, hatte der Meister schließlich geknurrt, als sie das Verhör schon fast für überstanden gehalten hatte.

    »Mein Zeugnis?« Friederike wurde blass. »Ich … äh … ich … Wissen Sie, mein Zeugnis …«
    »Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass die Kollegen in Meißen Ihnen kein Empfehlungsschreiben ausgestellt haben? Ich kenne Höroldt - bei dem muss doch immer alles höchst korrekt zugehen!«
    Missmutig trommelte Benckgraff mit den Fingern auf der Tischplatte herum.
    »Also, was ist? Zeigen Sie mir jetzt Ihre Papiere oder nicht?«
    Friederike schluckte. So kurz vor dem Ziel - und jetzt sollte die Erfüllung ihres Lebenstraums an einer Formalie scheitern? Warum hatte sie nicht daran gedacht, sich selbst ein Zeugnis zu schreiben? Genauso wie sie den Stempel des Landes Sachsen nachgemacht hatte, um ein gültiges Reisedokument vorweisen zu können, hätte sie ein Empfehlungsschreiben Höroldts fälschen sollen. Allerdings wäre Benckgraff mit Sicherheit nicht so leicht hinters Licht zu führen gewesen wie die Grenzbeamten …
    »Nun?« Auf seiner Miene spiegelten sich Ungeduld und Gereiztheit wider.
    Gleich war es vorbei. Nur noch wenige Sekunden, dann flog sie hier hochkant hinaus, und all die Strapazen, die sie auf sich genommen hatte, ja auch Tamerlanos Tod waren umsonst gewesen. Sie spürte, wie sich ihre Kehle zuzuschnüren begann.
    Plötzlich hatte sie eine Eingebung: Tamerlano! Der liebe, gute, wundervolle Tamerlano, er würde ihr ein letztes Mal zu Hilfe eilen.
    »Wissen Sie, Herr Benckgraff« - jetzt kam ihr das Zittern in ihrer Stimme sogar ganz gelegen - »ich bin Opfer eines schrecklichen Unglücks geworden.« Sie legte eine Pause ein, um ihren Worten mehr Wirkung zu verleihen. »Ein Feuer hat das Gasthaus, in dem ich logiert habe, vollkommen niedergebrannt. Mein Reisebündel ist verbrannt. Und mit ihm mein Zeugnis, wie Sie sich vorstellen können. Ein schreckliches Unglück: Mein treuer Rotfuchs, aber auch einige Gäste und sogar die Wirtin,
sie alle sind in den Flammen zu Tode gekommen! Ja, es hätte nicht viel gefehlt, und ich selbst wäre ebenfalls verbrannt. Nur ein Sprung aus der Dachluke hat mich in letzter Sekunde noch vor der Feuersbrunst gerettet.«
    Mit treuherzigem Augenaufschlag blickte sie Benckgraff an.
    »So«, knurrte dieser, offenbar nur mäßig überzeugt. »Da scheinen Sie ja noch mal mächtig Glück gehabt zu haben. Was stand denn drin in dem Zeugnis?«
    »Äh … nun … dass ich ein ausgezeichneter Porzellanmaler bin, natürlich. Mit einer besonderen Qualifikation als Figurenmaler«, schloss sie erleichtert.
    Geschafft, seufzte sie in Gedanken, das war knapp! Tamerlano hatte sie gerettet.
    »Figurenmaler?« Benckgraffs Tonfall klang gedehnt. »Also Figurenmaler brauchen wir eigentlich keine mehr, Herr Rütgers. Ein weiterer Blumenmaler hätte uns gut angestanden, das ja. Landschaftsmaler sind auch recht begehrt, aber Figurenmaler …«
    Aus zusammengekniffenen Augen starrte er sie an. Sie meinte plötzlich, etwas Listiges in seinem Blick zu erhaschen. Was bildete sich dieser Benckgraff eigentlich ein? Es war ja wohl kaum so, dass die guten Porzellanmaler bei ihm Schlange standen! Warum stellte er sich so an? Sie merkte, wie der Zorn in ihr hochstieg.
    »Also wissen Sie …«, entfuhr es ihr. »Wenn Sie mich nicht anstellen wollen, dann lassen Sie es eben bleiben! Entweder Sie vertrauen mir, oder unsere Wege trennen sich hier und jetzt. Ich bin nicht darauf angewiesen, in Höchst zu arbeiten. Es gibt auch noch andere Manufakturen auf der Welt. Ihr Kollege van Alphen aus Hanau zum Beispiel hat mich kaum mehr ziehen lassen, so begeistert war er von meiner Arbeit. Das hat er mir sogar schriftlich gegeben.«
    »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, werter Herr Rütgers?« Benckgraffs Stimme klang nun ganz sanft. »Wie Sie wissen, besteht zwischen Fayence und Porcellaine zwar ein gewaltiger
Unterschied, aber van Alphen ist ein guter Mann. Er weiß, was er tut.« Er stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Dann

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