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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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das dem ganzen Menschen gerecht wird und das ihm auf seinem weiteren Lebensweg wirklich hilft. (Heute habe ich ein Standardblatt, das ich nur um einige wichtige Formulierungen ergänze: »zu unserer vollen« oder »zu unserer vollsten Zufriedenheit« etwa. Meist lasse ich die Praktikanten ihre Zeugnisse selbst schreiben.)
    Auch deshalb hatte ich mir die Bewerbung mit nach Hause genommen. Vor allem aber, weil ich es nach sechs Stunden nicht mehr in meiner neuen Redaktion aushielt. Rita Bolzen hatte mich aus ihrem kleinen Fotoraum, dem einzigen Einzelbüro, derart streng beobachtet, dass ich zuletzt befürchtete, mein Gel und mein Nadelstreifenanzug könnten gegen mehrere Paragraphen des Betriebsverfassungsgesetzes verstoßen. Grainer war den halben Nachmittag um mich herumgeschwänzelt, hatte mir seine Strategie des Zeitungsmachens erklärt (»schneller, näher, kompetenter«) und gemeint, dass wir »möglichst bald ein Bier zusammen trinken« müssten, »ohne die anderen«. Lenz hatte die letzte Champagnerflasche allein geleert und starrte, als ich ging, |38| seit etwa anderthalb Stunden auf eine vor ihm liegende Seite. »Er hat heute Spätdienst«, raunte Grainer mir zu, als ich gegen kurz nach 17 Uhr die Redaktion verließ. Volkerts hatte mir gesagt, dass hier sowieso meist nicht viel länger gearbeitet würde, »nur keine Überstunden, aber das wissen Sie ja sicher«.
    Es war noch hell, als ich, den Koffer in der einen, die Bewerbung und einen Stadtplan in der anderen Hand, durch die Straßen Wützens zu der Wohnung ging, die Frau Schmidt für mich angemietet hatte. Sie hatte den Weg dorthin auf dem kleinen Faltblatt, das die
Wützener Zeitung
jährlich in einer Auflage von zehntausend Stück herausgab, eingezeichnet. Die wichtigsten Häuser waren mit grünen Punkten markiert. Ich ging an der Kleiderkammer des Deutschen Roten Kreuzes und an der »Gol denen Krone«, einer »echt deutschen« Gaststätte, vorbei, in der ich durch die gelben Fenster meinen Sportchef vor einem Glas Bier zu sehen glaubte. Seinen Namen hatte ich schon wieder vergessen.
    Am Schwimmbad, der Wützen-Therme, musste ich rechts in die wichtigste Einkaufsstraße der Stadt einbiegen. Sie hieß Leopoldstraße, was ich etwa so witzig fand wie den Zeitungsständer der »Tabak-Theke«, an dem meine Zeitung fast komplett von den
Metro-News
verdeckt wurde. Ich konnte nicht anders, hielt an und sorgte für die richtige Ordnung.
    Mein Rollkoffer ließ sich nur schwer über den grau-schwarzen Klinker ziehen, der so angeordnet war, dass die einzelnen Steine aus der Luft gesehen das Motto der Stadt ergaben:
Wützen heißt Leben
. Wobei ich mich fragte, wer die Leopoldstraße eigentlich aus der Luft sah. Vielleicht die Besucher der Kaufhalle, wenn sie vom Restaurant im dritten Stock auf die Einkaufstraße hinunterblickten. Zwischen 17 Uhr 30 und 18 Uhr 30 gab es »Zwei Bocki mit Kartoffelsalat für nur 3,50 Euro«.
    Vor der Kaufhalle, die auf dem Stadtplan gleich drei grüne Punkte hatte, war von Frau Schmidt ein dicker Pfeil nach rechts eingezeichnet worden, der den Namen der Straße fast verdeckte: |39| …sweg konnte ich lesen, und viel mehr war auch auf dem echten Schild nicht zu erkennen, auf dem ein Wützener Graffitisprayer sein Tag hinterlassen hatte.
    Im Heussweg 75 sollte ich wohnen, direkt über einem Esoterikladen, der
Welt von Buddha und Shiva
. Die Inhaberin war eine Freundin von Frau Schmidt und vermietete seit Jahren ein kleines Apartment über ihrem Geschäft, meist an Bauunternehmen und deren Handwerker. »Sie können da so lange bleiben, wie Sie wollen«, hatte Frau Schmidt gesagt. »Ist nicht groß, aber ganz besonders eingerichtet.«
    Als ich die Tür zu der
Welt von Buddha und Shiva
öffnete, klingelten Dutzende kleine Glöckchen, die an einer langen Kette von der Decke baumelten. Mit dem Koffer schabte ich nur knapp an einem liegenden, goldenen Gautama vorbei und konnte gerade noch vor einer Wand mit kleinen Glaselefanten und schwarzen Holzkröten stoppen. Dahinter stand eine hagere, runzlige Frau mit einer Brille, die mich sehr stark an jene von John Lennon erinnerte.
    »Sawasdee kah«, sagte sie.
    »Sawasdee was?«, fragte ich.
    »Das ist Thailändisch und heißt so viel wie Herzlich willkommen. Waren Sie schon einmal in Thailand?«
    Ich war müde und wollte meinen Koffer loswerden.
    »Nein. Mein Name ist Johann Walder, ich komme wegen des Apartments. Frau Schmidt schickt mich.«
    Ich hörte mich an wie ein kleiner Junge, der für

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