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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sein als die Zeitung von vorgestern.
    »Der Kleine ist vor wenigen Tagen auf die Welt gekommen«, sagte ein Mann im weißen Polohemd und dunkler Jeans, den Elisabeth mir später als ihren Vater vorstellte.
    »Er hat wahrscheinlich eine Gelbsucht.«
    »Ist das gefährlich, Papa?«, fragte Elisabeth.
    »Nein, das kommt bei Neugeborenen manchmal vor. Er muss nur schnell in ärztliche Behandlung.«
    Und nicht vor das Gebäude der Lokalzeitung. Dort hatte Elisabeth den Jungen vor einer Dreiviertelstunde gefunden, als sie für den Termin im Rathaus die vergessene Digitalkamera abholen wollte.
    »Er lag vor der Hintertür. Ich wäre fast über ihn gestolpert, weil ich es so eilig hatte«, erzählte sie. Erst jetzt bemerkte ich, wie gut Elisabeth die Aufregung stand. Ihre Augen funkelten, ihre Lippen glänzten feucht, eine Haarsträhne fiel ihr leicht in das dunkelbraune Gesicht. Sie trug ein weißes, enges Shirt und darüber eine hellgraue Jacke. Das Baby hatte bisher kaum einen Ton von sich gegeben, nicht einmal die Augen aufgeschlagen.
    »Lange kann er noch nicht vor der Tür gelegen haben«, sagte Dr. Renner.
    |152| »Sind Sie auf dem Weg zur Redaktion jemandem begegnet?«, fragte einer der Polizisten Elisabeth.
    »Nicht, dass ich mich erinnern kann. Ich bin mit dem Auto direkt auf den Parkplatz gefahren«, sagte sie.
    Wahrscheinlich so schnell, dass sie nicht einmal Hannibal mit seinen Elefanten registriert hätte.
    »Wir sollten das Baby sofort ins Krankenhaus fahren, um es gründlich untersuchen zu lassen«, schlug ein Rot-Kreuz-Helfer vor, der wahrscheinlich um seine Einsatzkostenpauschale oder so fürchtete.
    »Das müssen Sie nicht«, sagte Dr. Renner. »Ich kann es zu einem befreundeten Kinderarzt bringen, der gleich um die Ecke seine Praxis hat.«
    Elisabeth sprang auf: »Warte, Papa, ich komm mit.«
    Beim Herausgehen konnte ich sie kurz zur Seite ziehen. »Eli sabeth , das muss doch ein Schreck für Sie gewesen sein. Wollen wir beide nicht erst mal in Ruhe einen Kaffee trinken?« (Ich trinke auch im Büro nie Kaffee, sondern immer Cola zero. Aber: Wollen wir nicht erst mal in Ruhe eine Cola zero trinken?, hätte unmöglich geklungen.)
    »Auf keinen Fall, Herr Walder«, sagte sie und zeigte hinter ihrem Vater her. »Diese Geschichte lasse ich mir doch nicht entgehen.« Und, als sie schon fast aus der Redaktion war: »Sagen Sie Frau Bolzen Bescheid, dass sie zu Dr. Mühlbach kommen soll.«
    Drei Stunden später brach der Sturm los. Es war zehn Minuten her, dass die Polizei eine offizielle Pressemitteilung an die Nachrichtenagenturen geschickt hatte (»Drei Tage altes Baby vor Redaktion einer Lokalzeitung ausgesetzt«), als der erste Fernsehsender anrief. In den folgenden Stunden kam ich zu nichts anderem, als Anfragen anderer Journalisten zu beantworten und Termine mit TV-Teams zu machen. Zum Glück war Grainer wieder da, der von seiner angeborenen Lethargie vor dem ganzen Wirbel geschützt wurde. Er kümmerte sich, als wäre |153| nichts passiert, um die tägliche Post von Landfrauenverband und Feuerwehr.
    Ich sah um kurz nach 11 Uhr in die Kameras von RTL. Eigentlich wollten die Fernsehleute »die junge Frau filmen, die das Baby gefunden hat«. Aber Elisabeth war bei dem Kleinen in der Praxis ihres Vaters. »Hier vermutet uns niemand«, hatte sie mir am Telefon gesagt. Bei Dr. Mühlbach, wo sie vorher gewesen waren, hätten schon zwei Radioreporter geklingelt.
    Immerhin konnten wir den nächsten Fernsehteams –
WDR
vor
Sat. 1
und
n-tv
– mit Fotos von dem Findelkind dienen. Scharf waren sie auch noch. Rita Bolzen hatte den Jungen so oft fotografiert, dass tatsächlich acht verwertbare Motive dabei herausgekommen waren. Die verkaufte sie jetzt für Minimum 200 Euro das Stück erst an die Sender und dann an größere Tageszeitungen, die etwa im Viertelstundentakt nach Bildern fragten. Als ich es wagte, sie darauf aufmerksam zu machen, dass ihrem Arbeitgeber ein Teil der Erlöse aus den Verkäufen zustände, sagte sie nur knapp: »Das sieht das Urheberrecht anders, Herr Walder. Aber damit haben Sie sich ja wahrscheinlich noch nie beschäftigt.« Bevor sie den ersten Paragraphen zitieren konnte, klingelte ihr Handy.
    Mich hatte der
WDR
inzwischen an meinem Schreibtisch ausgeleuchtet. Eine Reporterin (»ich bin seit einem Jahr Volontärin«) sah in mir offensichtlich den wichtigsten Kronzeugen.
    »Was haben Sie gedacht, als Sie das Baby vor der Redaktion liegen sahen?«
    »Ich habe das Kind dort nicht liegen

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