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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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direkt in die wahrscheinlich glasigen Augen, »aber auf Eis und ohne Kaffeebohnen. Mögen Sie keinen Kaffee, Herr Walder?«
    Nein, ich hasse Kaffee. Ich hatte ihn als Jugendlicher einmal trinken müssen, nachdem ich beim Arzt vor einer Untersuchung zusammengebrochen war. Seitdem wurde mir allein von dem Geruch schlecht. Wenn Marie keine Lust auf meine Nähe gehabt hatte, und das war leider nicht selten gewesen, hatte sie literweise Milchkaffee getrunken und mir kurz vor dem Zubettgehen »Gute Nacht, mein kleiner Liebling« ins Gesicht gehaucht. Das hielt mich mehr ab, als es ein Keuschheitsgürtel vermocht hätte.
    |159| »Ich bin mehr so der Teetrinker«, sagte ich, was zwar auch nicht stimmte, aber mir egal war. Hauptsache, Elisabeth und ich sprachen über etwas, was nichts mit dem Beruf zu tun hatte. So waren es ausgerechnet Kaffeebohnen, die aus unserem Geschäftsessen, wir bestellten später auf Redaktionskosten noch ein dreigängiges Menü und zum Abschluss eine Extraportion Creme Brulée, ein Gespräch werden ließ, das etwas von der Privatheit früherer Telefonate hatte. Um ihr zu zeigen, dass ich aus dem Abend mit Ostwasser gelernt hatte, stieg ich nach dem vierten Sambuca demonstrativ auf Wasser (Kommentar Elisabeth: »auf Eis und ohne Kaffeebohnen«) um, während Elisabeth die Molinari-Vorräte des Bistros deutlich reduzierte. Am Ende war sie es, die sich bei mir einhakte und fragte, ob wir uns nicht ein Taxi teilen wollten.
    Ich stieg, ganz neuer Gentleman, allein hinten ein, ließ uns zu ihrem Elternhaus bringen, hielt ihr die Tür auf und streckte ihr zum Abschied von mir aus die Hand entgegen. Sie nahm sie, zog mich kurz dichter an sich heran, um dann wieder abzustoppen.
    »Bis morgen, Herr Walder. Vielen Dank für den netten Abend.«
    »Bis morgen, Elisabeth. Und denken Sie daran: Jetzt zählt erst mal nur die Geschichte des kleinen Henri. Wenn der Fall gelöst ist, sehen wir weiter.«
    »Wie, wir weiter?«
    Der Taxifahrer ließ die Scheibe herunter: »Soll ich warten, oder zahlen Sie jetzt?«
    Ich gab ihm zehn oder 20 Euro, genau weiß ich das nicht mehr. Er war innerhalb einer halben Minute verschwunden.
    »Wie, weiter? Herr Walder, was meinen Sie?«
    Elisabeth hielt sich an der Garagentür ihres Elternhauses fest. Ich hatte den ganzen Abend überlegt, ob ich meine Entschuldigungs-SMS erwähnen und mein Angebot erneuern sollte, ihr bei der Suche nach einem Job oder zumindest einem Praktikum bei einer großen Zeitung zu helfen.
    |160| »Ich weiß ja gar nicht, ob Sie meine letzten SMS gelesen haben, Elisabeth. Aber ich hatte mir überlegt, wie es für Sie jetzt weitergehen kann, rein beruflich natürlich, und dachte, ich könnte Sie einmal …«
    War sie im Stehen eingeschlafen? Ihr Kopf lehnte an der Garage, die kleine Handtasche baumelte an zwei Fingern der rechten Hand.
    »Elisabeth?«
    Sie reagierte nicht.
    »Elisabeth?«
    Ich rüttelte leicht an ihrer linken Schulter. Sie zuckte zusammen, schlug die Augen wieder auf.
    »Ja, also danke, Herr Walder. Ich glaube, ich muss dann jetzt mal rein. Morgen wird bestimmt ein langer Tag.«
    Als sie gerade einen Schritt auf mich zumachte und ich für eine Zehntelsekunde damit rechnen konnte, dass der von den Frauen dieser Welt seit fast fünf Monaten durchgehaltene Johann-Walder-Boykott zumindest durch einen Wangenkuss sein Ende finden würde, ging hinter Elisabeth die Gartentür auf. Ihr Vater. Ich setzte vier Schritte zurück.
    »Melden Sie sich morgen, Frau Renner, wenn Sie etwas herausgefunden haben. Und Ihnen, Herr Dr. Renner, noch einmal recht herzlichen Dank für die schnelle Hilfe in dieser schwierigen Situation. Sie haben eine tol…, ich meine, sehr tüchtige Tochter.«
    Ich kam gerade rechtzeitig nach Hause, um die Wiederholung einer WDR-Sondersendung zum »Fall des kleinen Henri« zu sehen. Neben mir hatte die Reporterin auch Rita Bolzen interviewt. Sie erzählte von der sie erschütternden »Unverfrorenheit und Dreistigkeit, mit der TV-Sender und Zeitungen aus ganz Deutschland« versuchen würden, »aus der schrecklichen Lage dieses kleinen Kindes Kapital für die eigenen Auflagen oder Quoten zu schlagen«. Das würde sie, die einfache Dorffotografin, nun wirklich nicht verstehen. Mir kamen die Tränen.

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    |161| VIERUNDZWANZIG
    Ich war mit dem Rad, so schnell ich konnte, zur Polizeiwache gefahren. »Können Sie gleich kommen? Wir haben etwas Wichtiges gefunden«, hatte der Kommissar am Telefon gesagt. Er stand schon vor der Tür. »Da

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