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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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diesem Baby nicht mehr machen? Ich fand es ehrlich gesagt übertrieben, dass wir darüber heute auf drei Seiten berichtet haben. Hat mich vorhin beim Bäcker auch schon der Direktor des Gymnasiums drauf angesprochen. Sagte, wir sollten aufpassen, nicht zu boulevardesk zu werden.«
    Der Lieblingsvorwurf der vermeintlich Intellektuellen. Ich überlegte kurz, ob ich angesichts der Lage ernsthaft auf so eine Frage antworten sollte. Wenn es nach Grainer gegangen wäre, wäre die
Wützener Zeitung
wahrscheinlich das einzige Medium im ganzen Land gewesen, das über den Fall nur eine Meldung gebracht hätte.
    |172| »Elisabeth hat vielleicht herausbekommen, wer die Mutter ist«, sagte ich knapp. »Und die CDU will ihre Pläne für eine Babyklappe wieder forcieren.«
    »Nur weil hier mal ein Kind ausgesetzt wird? Das ist doch lächerlich. Und ehrlich, Johann: Gehört diese Mutter, die den Namen nicht mal verdient, in eine Zeitung wie die unsere? Ich finde nicht, dass so eine Berichterstattung zu einer Qualitätszeitung passt.«
    Die Ehrungen im Kaninchenzüchterverein, die er an einem meiner wenigen freien Sonntage auf den Fuß der Titelseite gehoben hatte, wohl schon.
    »Warten wir erst mal ab, was Elisabeth mitbringt.« Je weniger ich sagte, desto geringer war die Gefahr, dass ich anfing, meinen fast einen Kopf größeren Stellvertreter zu würgen.
    Grainer knurrte leise: »Wenn du meinst. Du bist der Chef. Aber der Bürgermeister …«
    Zum Glück kam Frau Schmidt herein. »An den ersten Tankstellen sind wir ausverkauft«, schrie sie durch den Raum. »Ich schicke meinen Mann mit der stillen Reserve los.« Die stille Reserve waren rund sechshundert Exemplare, die wir eigentlich für Anzeigenkunden und das Sportarchiv von Peperdieck brauchten, das inzwischen Dreiviertel der undichten Kellerräume einnahm.
    »Hoffentlich haben wir nicht viel zu wenig gedruckt«, sagte Frau Schmidt.
    Das befürchtete ich auch, als gegen kurz nach 11 Uhr die Meldung kam, dass die reguläre Auflage verkauft sei. Batz freute sich darüber, als hätte die CDU alle Landtagswahlen gleichzeitig gewonnen: »Das Interesse an diesem Fall zeigt nur zu deutlich, was in dieser Stadt alles im Argen liegt, seit ein grüner, schwuler und Golf spielender Bürgermeister im Rathaus sitzt.«
    »Wir könnten zum ersten Mal seit acht Jahren wieder mehr als achtzehntausend Exemplare verkaufen«, jubelte Frau Schmidt.
    Nur Grainer freute sich nicht. Er saß hoch über seinem |173| Schreibtisch, las die Protokolle des letzten Bauausschusses und zischte verächtlich: »Wir sollten hier mal alle schön ruhig bleiben. Wir bereichern uns am Schicksal anderer Menschen. Wir verdienen Geld mit ihrem Leid. Darauf kann man doch nicht stolz sein, werte Kollegen.«
    Aber auf einen zweihundertvierzig Zeilen langen Artikel über die Liebe zwischen zwei vierzehn Jahre alten Katzen …
    Während sich Batz und Grainer über den Kopf von Frau Schmidt hinweg ankeiften, vibrierte mein Blackberry. Eine SMS von Elisabeth: »Bin in 30 min da. Habe alles.«
    Wäre sie pünktlich gewesen, hätte sie miterlebt, wie Rita Bolzen sich in den Streit der Todfeinde einmischte. Sie war auf Grainers Seite: »An diesem Fall zeigt sich einmal mehr exemplarisch, wie die an sich ehrenhafte und verantwortungsvolle Arbeit des Journalisten unter den Zwängen renditegetriebener Verleger leidet. Denen geht es nie um das Leid, das Menschen wie dem kleinen Henri oder allen, die ihn lieben, widerfährt. Denen geht es nur um das schnelle Geld.«
    »Ihnen ja zum Glück nicht, Frau Bolzen«, sagte ich und schob ihr die ausgedruckte E-Mail aus der Rechtsabteilung hinüber, in der es knapp hieß, dass »die Veräußerung von Fotos oder anderen Produkten, die im Auftrag des Verlages erstellt wurden, allein durch den Verlag erfolgen kann. Er entscheidet angesichts der allgemeinen Richtlinien zum Weiterverkauf über die Verteilung der damit erzielten Einnahmen.« Rita Bolzen zerknüllte das Stück Papier, zischte etwas wie »das werden wir ja sehen« und knallte die Tür des Fotoecks zu.
    »Hier ist ja was los.« Elisabeth musste zumindest Bolzens Abgang miterlebt haben. Batz und Grainer stritten weiter, Rupprecht stand daneben, lachte und haute Batz hin und wieder zustimmend auf die Schulter. Frau Schmidt hatte sich an den Rand meines Schreibtischs mit einer Rechenmaschine gesetzt, die selbst Manufactum nicht besser auf alt hätte machen können, und ließ Zahlenkolonnen herunterrattern, als ginge es nicht |174| um die

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