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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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im Vergleich zu einem Freund, der sich beim Oralsex mit seiner Assistentin fotografierte? Armer lieber Herr Walder.
    »Ich mache uns jetzt erst mal einen Kaffee. In zehn Minuten bist du unten, verstanden, Mausi? Sonst wirst du enterbt.«
    Es dauerte eine halbe Stunde und zwei Aspirin, bis ich neben Oma am Küchentisch saß.
    »Also, was gibt es so Dringendes? Und sprich bitte leise.«
    |164| Oma erzählte, dass sie vor knapp zwei Wochen bei ihrem Dienst in der Wützener Kleiderkammer, deren Chefin sie mit neunundsiebzig Jahren geworden war, einen blauen Kindertragekorb mit grauen Gurten und einer schwarzen, abgewetzten Polsterung an eine hochschwangere Frau herausgegeben hatte.
    »Das war der aus eurer Zeitung, Mausi.«
    »Bist du sicher, Oma? Bei diesen Körben sieht doch einer aus wie der andere.«
    »Ich bin mir ganz sicher. Ich merke mir jedes Stück, das die Kleiderkammer verlässt. Falls es mal zu Reklamationen kommen sollte.«
    Reklamationen? Bei Second-, Third- und Fourth-Hand-Ware? Oma schien ihren Job sehr genau zu nehmen.
    »Aber selbst wenn es der Korb gewesen sein sollte, den ich vor der Redaktion gefunden habe: Wie sollen wir herauskriegen, wie die Frau heißt, die ihn abgeholt hat? Mit ihrer EC-Karte wird sie kaum bezahlt haben, oder?«
    »Das kann man bei uns doch gar nicht, Mausi.« Oma schüttelte den Kopf. »Außerdem hat der Korb ja nur einen Euro gekostet. Aber den Namen kann ich dir trotzdem sagen. Moment.«
    Sie verschwand in Richtung Arbeitszimmer. Ich schenkte mir eine zweite Tasse Kaffee ein. Als ich fertig war, stand Oma mit einem völlig zerfledderten, blauen Heft in der Küche.
    »Hier ist sie«, sagte sie stolz.
    »Hier ist was?«, fragte ich.
    »Hier ist unsere Kleiderkammerkladde, in die wir von jedem Kunden Namen und Adresse eintragen.«
    Ich konnte es nicht glauben.
    »Warum tut ihr das denn, Oma? Ich dachte, das ist …«
    Sie unterbrach mich.
    »Weil alles seine Ordnung haben muss, mein Kind. Auch Wohltätigkeit.«
    »Aber die Leute kriegen die Sachen doch so gut wie geschenkt. Mahnungen werdet ihr also nicht rausschicken müssen.«
    |165| »Trotzdem. Sicher ist sicher. Und so wissen wir auch immer, was am besten geht und wer am meisten kauft.«
    Als ich später das Buch durchblätterte, fand ich unter den Beziehern auch drei Mal Peperdieck und acht Mal Bolzen. Die Fotografin hatte allein sechs Blusen, vier Paar Schuhe, drei Jacken und sogar gebrauchte Unterwäsche in der Kleiderkammer »gekauft«. Gesamtpreis: 14 Euro. Die Betriebsratsvorsitzende am unteren Ende der Kleiderkette. Unfassbar.
    »Hier, siehst du, es war vor fast genau zwei Wochen.« Oma hatte die richtige Stelle gefunden. »1 Babytragekorb, blau, schwarzes Polster, leicht abgewetzt. Abgegeben an: Hanna Giese, Birkenweg 20. Empfangen: H. Giese.«
    »Woher willst du wissen, dass die nicht irgendeinen Namen angegeben hat?«
    »Aber Mausi, wir lassen uns selbstverständlich die Personalausweise zeigen.«
    »Ihr lasst was …?«
    »Damit da nicht irgendwelche Betrüger kommen.«
    So wie Peperdieck und Bolzen.
    Natürlich blieb die Frage, ob Omas Kleiderkammerkorb auch wirklich derjenige war, in dem Henri vor der Redaktion gelegen hatte. Aber das war schnell herauszubekommen.
    »Ich fahre da jetzt hin«, sagte ich und erwartete für einen kurzen Moment, dass Oma sagen würde: »Ich komme mit.« Aber sie fragte nur: »Willst du nicht vorher deinen Chef anrufen?«
    Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach acht und damit unwahrscheinlich, dass Walder schon wach war. Vielleicht steckte er auch gerade mitten in einem Alptraum um ausgesetzte Babys, Kaffeebohnen und eine geheime Spur. Wobei in seinem Traum eher Hercule Poirot als Miss Marple auftauchen dürfte. Irgendwann am gestrigen Abend hatte er erzählt, dass er am liebsten so wäre wie der. Nicht so dick natürlich, sondern so clever. Es muss gewesen sein, als der Kellner die zweite Flasche Sambuca öffnete.
    |166| »Ja, bitte?«
    Walder hatte die Unart, sich nicht mit seinem Namen zu melden. Er klang verschlafen.
    »Elisabeth Renner, guten Morgen, Herr Walder. Tut mir leid, dass ich wieder so früh anrufe. Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt.«
    Er räusperte sich.
    »Ich hätte sowieso gleich aufstehen müssen. Inforadio will um acht ein Interview mit mir machen. Wenigstens kann ich dabei im Bett liegen bleiben.«
    »Sie werden noch berühmt, Herr Walder.«
    »Wenn hier einer berühmt wird, dann sind Sie es, Elisabeth. Haben Sie schon die befreundeten

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