Die Praktikantin
hat es ja auch nicht so mit Babys.«
»Wenigstens können wir ihn als möglichen Vater von Henri ausschließen«, sagte Rupprecht und glotterte dabei wie ein Kleinkind. Batz schlug wieder und wieder mit der flachen Hand auf den Tisch: »Den Bürgermeister … als Vater ausschließen … herrlich, einfach herrlich, nicht, Herr Walder?«
Man kannte sich. Und man kannte seine Feinde.
»Ich lasse Sie dann mal wieder allein«, sagte ich. Die einzige Geschichte, die mich interessierte, war die der Mutter. Aber Elisabeths Handy blieb ausgeschaltet.
Dafür kam auch Rita Bolzen schon kurz nach 9 Uhr in die Redaktion. Was war hier los? Traf sich der Betriebsrat zu einer außerplanmäßigen Versammlung? Hatte sie endlich den Verräter gefunden, der ihre Kamera manipulierte? Oder sollten ihre Fotos von dem kleinen Henri in einem teuren Bildband erscheinen?
»Guten Morgen, Herr Walder.« Die Bolzen hatte beste Laune. »Sind Sie immer so früh hier? Ich war schon draußen im Birkenweg.«
Woher wusste sie …?
»Frau Renner hatte mich angerufen und gebeten, dorthin zu kommen. Normalerweise reagiere ich ja auf Anrufe von Praktikantinnen nicht, und Anweisungen nehme ich von denen erst recht nicht entgegen. Aber Frau Renner sagte, sie hätte einen Hinweis auf die Mutter des kleinen Henri und wollte für den Fall des Falles einen Fotografen, also ich meine natürlich, eine Fotografin, in der Nähe haben. Da habe ich selbstverständlich eine Ausnahme gemacht.«
|170| Ich wusste, warum sie eine Ausnahme gemacht hatte. Die Fotos der Mutter ließen sich für das Zwei- bis Dreifache des Preises verkaufen, den sie gestern für die Bilder des kleinen Henri bekommen hatte. Ich musste dringend die Rechtsabteilung von
Michelsen Media
anrufen. Die sollte klären, ob der Bolzen wirklich das ganze Geld zustand. Aber jetzt gab es Wichtigeres.
»Und?«
»Und was, Herr Walder?«
»Ich will wissen, ob Sie im Birkenweg Erfolg gehabt haben, Sie und Elisa… ich meine, Frau Renner.«
»Ich war sogar schon zehn Minuten vor Ihrer Elisabeth da, weil ich ja gleich um die Ecke wohne. Ich habe deshalb vor dem Haus gewartet. Ich konnte also sehen, ob jemand reingeht oder rauskommt.«
Was sollte ich mit so einer Information? Warum erzählte sie nicht endlich, was ich wissen wollte?
»Frau Bolzen, bitte sagen Sie mir nur eins: Ist die Dame vom Birkenweg Henris Mutter? Hat sie sich fotografieren lassen?«
»Nein. Ich meine ja. Sie ist die Mutter. Elisabeth hat mir eine SMS geschickt, nachdem sie etwa eine halbe Stunde in dem Haus war: ›Sie ist. Will nicht Foto.‹ Deshalb bin ich wieder weggefahren. Die Arbeitszeit ist natürlich trotzdem angefallen.«
»Ja, das habe ich verstanden. Wir haben also keine Fotos?«
»Nur von dem Haus, von der Umgebung, von zwei Nachbarn.«
»Dann zeigen Sie mir wenigstens die!«
Das ist der Vorteil der digitalen Kameras. Man kann sich sämtliche Bilder sofort auf dem kleinen Monitor ansehen. Zumindest theoretisch.
»Nee, lassen Sie mal, Herr Walder. Ich lade Sie Ihnen herunter, das dauert nur fünf Minuten, dann haben Sie die besten Motive.«
Wahrscheinlich war mindestens die Hälfte wieder unscharf. Die Bolzen konnte nicht mal ein Mehrfamilienhaus vernünftig fotografieren.
|171| »Ich kann doch erst mal …«, sagte ich, aber da war sie schon in ihrem Fotoeck (so nannte die Bolzen ihr Büro, in das außer ihr niemand durfte) verschwunden. Ich drückte auf Wahlwiederholung: Elisabeth war immer noch nicht auf Empfang. Batz und Rupprecht lachten laut.
»Was ist denn hier los?«
Das konnte nicht sein. Es war noch nicht einmal halb zehn und Herbert Grainer ebenfalls da. Er sah das verhasste CDU-Zweigespann, zog die Mundwinkel noch weiter nach unten, schob seine Aktentasche unter den Schreibtisch und setzte sich. Er hatte eine rote Hose an und dazu passend ein Einstecktuch in seinem dunkelblauen Sakko.
»Bist ja früh dran, Herbert«, sagte ich.
»Ich muss heute Abend zeitig weg. Golftermin.«
So wie mein Stellvertreter arbeitete, hätte ich gern mal Urlaub gehabt. Zum ersten Mal passierte in dieser Stadt etwas, das bedeutender war als die Neuwahl des Feuerwehrvorstandes, und der nominell zweitwichtigste Journalist Wützens verabredete sich zu einer Neunlochpartie. Wahrscheinlich mit dem Bürgermeister, der Präsident des Golfklubs von Wützen war. »Kein Wunder, bei dem Handicap«, hatte Batz gesagt, als er zum ersten Mal davon gehört hatte.
»Das müsste doch gehen, oder, Johann? Viel werden wir doch zu
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