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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Sitzung des Stadtrats gewesen. Sämtliche Texte waren im November des vergangenen Jahres erschienen. Danach fand ich von Hanna Giese nichts mehr. Auch HG war verschwunden.
    Der Zeitraum kam hin. Doch vielleicht gab es eine zweite Hanna Giese? Ich blätterte das Telefonbuch durch, fand in Wützen aber nur die eine im Birkenweg 20. Oder sie war es doch, hatte danach aber ein anderes Praktikum gemacht, um sich dort auf einen ihrer Chefs einzulassen?
    »Das glauben Sie doch selber nicht«, sagte Elisabeth, als ich sie gegen kurz nach 2 Uhr noch einmal anrief. »Das passt doch alles genau: Sie macht bei uns ein Praktikum, lässt sich mit einem Ihrer Redakteure ein, wird schwanger. Und weil der Kerl sie und das Kind im Stich lässt, legt sie ihm seinen Sohn direkt vors Büro. Die wollte nicht an die Öffentlichkeit. Die wollte, dass der Vater das Baby findet.«
    »Aber wer soll der Vater sein? Batz? Peperdieck? Grainer? Lenz ja wohl kaum …«
    »Ich würde niemanden ausschließen, Herr Walder. Außerdem war ja Ihr Vorgänger auch noch da. Dem sind früher immer Frauengeschichten nachgesagt worden. Ich gehe noch einmal zu Hanna Giese und frage sie direkt, ob sie ihr Praktikum bei uns gemacht hat. Und Sie kriegen heraus, wer damals der sogenannte |205| Praktikantinnenbetreuer war. Da muss es doch irgendwelche Aufzeichnungen geben. Oder, Herr Walder?«
    Es gab keine. Als ich Frau Schmidt am Morgen um die Praktikantenmappe bat und so tat, als würde ich dort ein paar Bewerbungen abheften wollen, sagte sie nur: »So etwas hat Ihr Vorgänger nicht geführt. Außerdem hatten wir ja seit einem halben Jahr keine Praktikanten mehr. Bis Sie kamen.«
    »Warum war das eigentlich so? Hat sich denn niemand mehr beworben?«
    »Doch«, sagte Frau Schmidt. »Wir hatten immer so zwei, drei Bewerbungen im Monat. Aber der Chef hat alle abgelehnt. Hat gesagt, er habe mit Praktikanten keine guten Erfahrungen gemacht.«
    Was meinen Vorgänger nicht unbedingt von der Liste der Verdächtigen verschwinden ließ. Ich hatte Willi Struck nur einmal, bei seiner Verabschiedung, kennengelernt. Ein ruhiger, distinguierter Mann mit wachen Augen. Er hatte sich kurz vor seinem Ruhestand von seiner langjährigen Freundin, die Sekretärin bei von Alsleben war, getrennt. Wegen einer Affäre? Aber warum sollte er Hanna Giese erzählen, dass er sie groß rausbringen werde, wenn er erst einmal der Chef sei? Er war der Chef. Oder hatte die junge Mutter das nur erzählt, damit Elisabeth nicht auf die Spur ihres wahren Geliebten kam? War das Bild, das sie vom Vater ihres Sohnes gezeichnet hatte, absichtlich falsch? Ich hätte gern in Strucks Personalakte gesehen, um herauszufinden, wann er im vergangenen Jahr Urlaub gemacht hatte und wie lange. Aber Frau Schmidt verließ ihre Ecke im Großraumbüro nicht. Als ich es während ihrer Mittagspause versuchte, war der Schrank mit den Akten abgeschlossen. Nur sie hatte einen Schlüssel dafür.
    Ich rief Elisabeth an, erreichte aber nur ihre Mailbox. Wir hatten in der Nacht noch mehrmals miteinander telefoniert, immer dann, wenn einer glaubte, eine neue Spur gefunden zu haben. Kurz vor 3 Uhr hatten wir alle Möglichkeiten mindestens einmal |206| durchgespielt und endgültig aufgelegt. Ich schlief erst gegen halb fünf ein, um keine vier Stunden später wieder aufzuwachen und in die Redaktion zu gehen. Ich konnte nicht wie Hercule Poirot tagelang in einem Sessel sitzen und über einen Fall grübeln, bis mein Gehirn sozusagen von selbst die Lösung gefunden hatte. Erstens war ich darin, anders als mein Romanheld, nicht besonders geübt, und zweitens hatte ich dazu keine Zeit. Wenn Clemens’ Vater in meiner Redaktion war, musste ich ihn finden, bevor das ein anderer tat. Zum Beispiel einer jener sechs Reporter, die das große Boulevardmagazin
Krass
gestern nach Wützen geschickt hatte.
    Wir hatten zwanzig Leserbriefe zu Elisabeths Geschichte bekommen, auch ein Rekord. »Was ist das für ein Mensch, der die Verantwortung für ein Kind nicht übernehmen will?«, schrieb einer. Ein anderer: »Wer Sex mit Untergebenen hat, sollte genauso bestraft werden wie jemand, der sich an Minderjährigen vergreift.« Ich bekam, obwohl unschuldig, eine Gänsehaut. Ein dritter schrieb: »Es wird höchste Zeit, dass der Bürgermeister aus Vorfällen dieser Art die Konsequenzen zieht und die von der CDU zu Recht seit Jahren geforderte Babyklappe in der Stadt einführt. Will er warten, bis ein Neugeborenes auf der Straße erfriert?« Der

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