Die Praktikantin
Bruder nach Warschau zu fahren, um Martin »mal zu zeigen, dass man ihm auch das Licht ausBLASEN kann«.
»Aber spätestens seit dieser Sache im Auto hat sich unser Verhältnis deutlich abgekühlt, und …«
Sonja unterbrach mich. »Deshalb hat er dich heute auch die ganze Zeit so verliebt angesehen.«
»… und außerdem habe ich erst mal die Schnauze voll von Männern und ihren Affären mit Untergebenen.«
Ich erzählte Sonja von Martins E-Mail und dann von Henri/ Clemens und Hanna Giese, die ich Karin Meyer genannt hatte, und von Herrn Reinhardt, dessen richtigen Namen ich so schnell wie möglich herausbekommen wollte.
»Ist das nicht eine unglaubliche Geschichte?«
»Und die kleine Elisabeth mittendrin.«
»Ja, und das alles aus purem Zufall. Hätte ich die Fotos von Martin und dieser Schlampe nicht entdeckt, wäre ich nämlich erst heute aus dem Urlaub gekommen, jemand anders hätte den kleinen Henri gefunden …«
|197| »… und du und dein Herr Walder würden immer noch nicht miteinander reden, und ich hätte nie gewusst, was für einen interessanten Mann du dir entgehen lässt.«
Sonja stand auf, hielt ihr Weinglas in Richtung Himmel, als würde von irgendwo dort oben Nachschub kommen: »Das, meine kleine, unschuldige Elisabeth, nennt man Schicksal. Prost!«
Als sie nach drei Flaschen Rotwein und vier Stunden Gespräch über Männer und Zufälle, Liebe und Bestimmung darauf bestand, »kurz in die Badewanne zu gehen, weil wir doch zu Hause keine haben«, setzte ich mich noch einmal an den Computer. Ich wollte sehen, was die Onlinedienste über meinen Fall geschrieben hatten, und fand Zitate aus der
Wützener Zeitung
, aus meinem Text, sowohl auf
Spiegel-Online
als auch auf
Tagesschau.de
und
Welt-Online
. Ich hatte sechs neue Mails bekommen, aber keine Lust, sie zu lesen, sondern gab bei
Google
»Journalistenpreise« als Stichwort ein und bekam eine Liste von mehr als dreißig Treffern. Zumindest bei sechs davon konnte ich meine Geschichte einschicken. Immerhin waren bis zu 5000 Euro zu gewinnen, Geld, das ich gerade jetzt gut gebrauchen konnte. Schon den Rückflug von Mallorca hatte ich mit der Kreditkarte meines Vaters bezahlen müssen.
Sonja sang in der Badewanne »Ein neue Liebe ist wie ein neues Leben« und ließ dazu die Ente quietschen, ohne die ich früher nicht baden gegangen war und die wahrscheinlich so lange am Wannenrand stehen würde, bis ich selber Kinder hatte. Ich surfte weiter im Netz, googelte »Reinhardt« und musste selber darüber lachen, gab »Clemens« ein, »Praktikantinnenbeauftragter«, »Praktikum«, »weißer A 6« und »Landgasthof in der Nähe Wützens«. Ich bekam entweder zu viele oder belanglose Nachrichten und fand mich einmal mehr in meiner Theorie bestätigt, dass das Internet genauso hilfreich wie nutzlos sein konnte. Sonja sang »Griechischer Wein«, als ich »Hanna Giese« in die Suchwortmaske bei Google eintippte, den einzigen Klarnamen – nannten die das damals bei der Stasi nicht so? –, den ich wirklich hatte. |198| Die Suche dauerte eineinhalb Sekunden. Google fand acht Einträge. Ich klickte den ersten an und konnte nicht glauben, was ich dort las. Beim zweiten rief ich Sonja zu, schnell aus der Badewanne zu kommen, beim dritten schaute ich auf die Uhr. Es war kurz nach eins. Beim vierten stand Sonja splitterfasernackt und tropfend neben mir, beim fünften gab sie mir mein Handy. Als ich den sechsten Eintrag aufmachte, wählte ich schon die Nummer von Walder.
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|199| ACHTUNDZWANZIG
Ich hatte gehofft, Elisabeth und Nicole am Nachmittag, die Sonja Zierow hieß und damit wenigstens so ähnlich wie eine andere dieser TV-Moderatorinnen, würden auf zwei, drei Flaschen Prosecco bei mir in der Redaktion bleiben. Doch sie verschwanden nach der ersten, und so war ich einmal mehr allein in Wützen, ganz allein sogar, denn der Buddha an der Decke fehlte. Ich rief die Agenturmeldungen auf, klickte die »Volltextsuche« an und gab »Wützener Zeitung« ein. An normalen Tagen wäre nichts passiert. Jetzt ploppte ein Text nach dem anderen auf. »Der Fall des kleinen Henri: Unternehmenschef soll der Vater sein« schrieb
Reuters
, die
Deutsche Presse-Agentur
blieb gewohnt sachlich: »Zeitung: Mutter des ausgesetzten Babys gefunden«. Auch
AP, AFP
und
DDP
, und damit die wichtigen Agenturen, zitierten uns, das heißt Elisabeth.
Ich legte alles, in dem der Name meiner Zeitung vorkam, auf den Drucker. Konnte man gut gebrauchen, wenn es bei den
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