Die Praktikantin
zwischendurch mal an die Zeitung denken, die wie in den sechzig Jahren seit ihrer Gründung auch morgen erscheinen muss«, rief Peperdieck zu uns herüber. Es war das erste Mal, dass ich ihn einen derart langen Satz sagen hörte. Es war fast 13 Uhr, und wir hatten bis auf den Sport noch nicht eine Seite geplant.
»Sie haben recht, Herr Peperdieck. Lassen Sie uns kurz Konferenz machen. Herr Lenz, Herr Batz, kommen Sie auch?«
Lenz schreckte von seinem Schreibtisch auf, Batz hatte den Layoutbogen für die Seite eins in der Hand.
»Ich habe schon mal den Titel von morgen entworfen«, sagte er. »Überschrift: ›Ausgesetztes Baby: Der Vater ist ein Freund des Bürgermeisters.‹«
Er konnte kaum sprechen vor Lachen.
»Müssen wir Grainer eigentlich pixeln? Ich frage mich …«
Ich fragte mich nichts mehr, als ich die von Batz skizzierte Titelseite sah. Ich nahm sie ihm aus der Hand, faltete sie zusammen und blickte in die Runde.
»Meine Herren«, sagte ich, »ich denke, die Zeitung wird doch noch etwas warten müssen. Ich möchte mit Ihnen zunächst einmal über das Ende dieses Falles sprechen.«
»Welches Ende, Herr Walder? Für Herbert …«
Ich ließ Batz nicht ausreden.
»Herr Batz, Herr Peperdieck, Herr Lenz, wenn Sie so nett wären und schon einmal in den Konferenzraum vorgehen würden. Ich komme gleich nach.«
Die drei gingen voran, ich bat Elisabeth, die Bolzen aus dem Fotoeck zu holen, und winkte schließlich Frau Schmidt zu uns, |219| die gerade in die Redaktion kam. »Auf ein Wort, meine Damen«, sagte ich und hielt ihnen die Tür auf. Elisabeth flüsterte mir irgendetwas zu, doch ich hörte sie nicht. Am liebsten hätte ich jetzt etwas auf Französisch gesagt, so wie Hercule Poirot es immer tat, ehe er vor sämtlichen möglichen Tätern auch den schwierigsten Fall aufklärte.
»Mon amis, äh ich meine, werte Kollegen«, ich ging an der Längswand des Konferenzraumes entlang, »dank Elisabeths Hilfe wusste ich seit gestern Abend, dass der Vater des kleinen Henri aus dieser Redaktion stammt. Die Mutter, die wir in dem Text zu ihrem Schutz Karin Meyer genannt haben, heißt in Wirklichkeit Hanna Giese. Sie war vor einem Jahr Praktikantin bei der Wützener Zeitung. Als Frau Schmidt«, ich sah zu ihr hinüber, »mir erzählte, dass Hanna Giese die letzte Praktikantin in der Redaktion war und mein Vorgänger, Herr Struck, danach keine weiteren mehr nehmen wollte, hatte ich zunächst ihn in Verdacht. Doch am Ende sprach ein winziges Detail gegen ihn als möglichen Vater: Hanna Giese hatte betont, dass der ›Oberboss‹ sie von Anfang an ignoriert habe. Also musste ein anderer der Täter, der Geliebte der Praktikantin sein.«
»Mann, Herr Walder, Sie müssen hier nicht einen auf Herbert Pirott machen oder wie dieser dicke Detektiv heißt. Wir wissen jetzt alle, dass Grainer …« Weiter kam Batz nicht.
»Ja, wir wissen jetzt, dass Herbert Grainer, mein Stellvertreter, ein Verhältnis mit der Praktikantin Hanna Giese hatte. Aber woher wissen wir das? Von den Fotos, die Rita Bolzen durch Zufall vor dem Haus im Birkenweg gemacht hat und mit denen sie, das kann man jetzt wohl so sagen, Herrn Grainer in einer bestimmten Sache unter Druck setzen wollte.«
Batz begann keifend zu lachen. »Nein, Rita«, sagte er und japste nach Luft, »sag nicht, dass du von Herbert auch ein Kind erwartest, das …«
»Herr Batz, Sie kommen gleich dran.«
Er war sofort still.
|220| »Nur hatte Rita Bolzen Herbert Grainer die Bilder noch nicht gezeigt. Sie ließ sie auf ihrer Kamera, damit ja niemand anderes sie sah. Das Letzte, was sie gemacht hätte, wäre, sie unter ihrem eigenen Namen an den Rundblick zu schicken. Bleiben also nur drei Verdächtige.«
»Und Elisabeth …« Peperdiecks Stimme war leise.
»Elisabeth hat leider als Einzige von Ihnen ein Alibi.« Ich redete wie Poirot, ich hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt wie er, ich zwirbelte sogar an meinem kaum vorhandenen Oberlippenbärtchen, während ich im Konferenzraum wie ein Tiger in seinem Käfig auf und ab schritt.
»Elisabeth war in den vergangenen zweiundsiebzig Stunden fast immer in meiner Nähe.«
Die tiefere Bedeutung begriff zum Glück niemand.
»Also zu Ihnen, meine Herren.« Ich drehte mich um und sah von einem zum anderen. »Erst hatte ich Herrn Lenz im Verdacht, dass er auf der Suche nach etwas zu trinken im Fotoeck die Kamera gesehen, an ihr herumgespielt und dabei die Fotos entdeckt hat.«
Lenz lief rot an.
»Sie wissen besser als
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