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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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glaube, ich hatte dir gerade erzählt, dass Johann in der letzten Zeit mir gegenüber sehr zurückhaltend und kurz angebunden war und ich seit drei Tagen überhaupt nichts mehr von ihm gehört habe.«
    »Genau. Und warum ist das so?«
    »Ich weiß es nicht, Sonja. Die ganze Zeit war er immer so nett zu mir, manchmal sogar zu nett …«
    »Bitte nicht schon wieder die Szene im Auto, diese schlimmste Vergewaltigung in der Geschichte Wützens.«
    »Du bist doof. Na ja, und kaum bin ich einmal etwas netter zu ihm und sage, dass ich gern mit ihm weiter Kontakt haben würde und dass mir etwas fehlt, wenn wir nicht regelmäßig miteinander sprechen, da meldet der sich einfach nicht mehr. Ehrlich gesagt, verstehe ich das nicht, Sonja.«
    »Engelchen, das ist seine neue Taktik, und die geht offensichtlich voll auf. Er hat gesehen, dass er mit der offensiven Methode bei dir nicht landen kann. Also zieht er sich zurück und lässt dich kommen. Uralter Trick, den ich bisher aber nur von Frauen kannte.«
    »Ich hatte manchmal eher den Eindruck, dass ihn die ganze Sache mit Grainer und der anderen Praktikantin nachdenklich |238| gemacht hat und dass er nicht selber in solch eine Situation hineingeraten will, was ja auch fast …«
    »Elisabeth!«
    »Okay, so weit waren wir im Auto damals noch nicht. Aber könnte das nicht der Grund dafür sein, dass er mich auf einmal ignoriert: Dass er nicht seinen Posten als Chefredakteur verlieren will …«
    »… und deshalb mit aller Macht versucht, seine Gefühle zu unterdrücken?« Sonja war mehrfache Deutsche Meisterin im Beenden von Sätzen, die ihre Freundinnen angefangen hatten. »Kann sein, kann alles sein. Aber warum besorgt er dir dann ein Praktikum bei den
Metro-News
? Warum überlässt er dir einfach seine Wohnung in München? Das macht man doch nicht, wenn man jemanden endgültig aus seinem Leben haben will, oder?«
    »Eher nicht, aber …«
    »… wahrscheinlich hast du nicht ganz unrecht. Es ist eine Mischung aus beidem: Dein Johann weiß, dass er sich in seiner Position eigentlich nicht mit einer wie dir einlassen sollte, und er hat gesehen, dass seine bisherigen Annäherungsversuche wenig erfolgreich waren. Also zieht er sich zurück und hofft, dass du die Initiative ergreifst, und gibt dir alles, was du von ihm haben wolltest, und noch mehr. Wenn sich jetzt etwas zwischen euch ergeben sollte, kann ihm zumindest niemand den Vorwurf machen, dass er euer Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt hat. Zumal du ja nicht mehr von ihm abhängig bist.«
    Sonja atmete tief durch.
    »Mensch, Engelein, dass wir nicht gleich darauf gekommen sind. Jetzt ist er doch gar nicht mehr dein Chef. Dein schlauer Herr Walder hat den Weg für euch beide frei gemacht und dich sicherheitshalber gleich schon mal bei sich einziehen lassen. Der Mann ist genial.«
    »Ja, er ist so genial, dass er die Frau, die er ja angeblich so verehrt, fünf Bahnstunden entfernt von sich untergebracht und |239| seitdem nicht mehr angerufen hat. Wenn das keine Liebe ist, dann weiß ich auch nicht.« Ich wurde langsam sauer.
    »Ach, ist damit jemand enttäuscht? Fühlt sich da jemand vernachlässigt? Hattest du nicht mal gesagt, dass du dich mit, ich zitiere, ›dem Herrn Walder nur über meine Leiche‹ einlassen würdest?« Sie fing an zu kichern. »Elisabeth, ich mache mir große Sorgen. Nicht, dass du auf einmal lebensmüde wirst und …«
    »Keine Angst, vorher würde ich noch die eine oder andere beste Freundin rituell strangulieren, dann zerstückeln …«
    »… und unter all den Männern verteilen, zwischen denen sie sich nie entscheiden konnte. Wer eine solche Freundin hat, braucht keine Feinde mehr. Elisabeth?«
    »Ja, Sonja?«
    »Willst du ihn nun, oder willst du ihn nicht?«
    »Ich glaube, die Frage solltest du besser jemand anderem stellen.«

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    |240| FÜNFUNDDREISSIG
    Als Elisabeth mir eine SMS schickte, sie mache sich jetzt auf den Weg nach München, war ich gerade damit fertig geworden, das letzte Zimmer mit Naturrasen auszulegen und eine Strandliege von Obi in die Mitte zu stellen. Mehr war mir nicht eingefallen.
    So gut ich das Praktikum für Elisabeth bei den
Metro-News
geplant hatte, so spontan war die Entscheidung gewesen, ihr meine Wohnung in München zu überlassen. Bevor ich darüber nachdenken konnte, was ich da tat, hatte sie den Schlüssel schon in der Hand. Erst fühlte ich mich gut, befreit von allen Sünden. Doch als Elisabeth mit ihrem Auto und meinen Schlüsseln verschwunden war, kam

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