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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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die so oberflächliche Abneigung gegen kleine Hände, das Kainsmal der Männer? Mama würde sagen, »warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah«. Ich mochte diese Plattitüden nicht, und Walder hatte sie mir in meinen Texten sogar verboten. Aber in diesem Moment fühlte sich der Satz wahr an. Ich hatte in meiner vermeintlich großen Liebe zu Martin alles andere, nein, alle anderen ausgeblendet. Nun war Martin weg und mein Blick auf die Welt ein anderer. Und wer stand da, ganz vorn, in der ersten Reihe: Herr Walder. Johann.
    Da stand er wirklich. Vor dem Gartentor, schüttelte eine Hand, die wahrscheinlich zu Herrn Struck gehörte, drehte sich um und kam wieder auf das Auto zu. Ich tat, als bemerkte ich ihn nicht. Ausgerechnet jetzt begann »Can’t help falling in love« von Elvis. Ich wusste, dass Johann Elvis liebte. Ich konnte diese Stimme, die sich anhörte, als hätte der Sänger eine mittelgroße |229| Kartoffel im Mund, nur schwer ertragen. Als er neben dem Auto stand, machte ich ihm die Beifahrertür auf.
    »Und, Herr Walder?«
    Ich hatte kurz überlegt, »und, Johann, wie war’s?« zu sagen, traute mich aber doch nicht, nannte ihn wie immer Herr Walder und vergaß den Rest. Johann machte die Musik leiser und drehte sich zu mir.

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    |230| DREIUNDDREISSIG
    »Elisabeth, jetzt, wo der Fall geklärt ist …« Kam es mir nur so vor, oder rückte sie tatsächlich etwas in meine Richtung? Egal. Ich wusste, was ich zu tun und was zu lassen hatte.
    »… also, wo der Fall geklärt ist und Sie dabei mehr als gute Arbeit geleistet haben, ist es Zeit, dass Sie, wie besprochen, den nächsten Schritt machen. Sie haben meine E-Mail ja sicherlich gelesen.«
    »Ja, das habe ich, und zwar beide Mails, lieber Jo… Herr Walder, und ich muss sagen, dass mich Ihre Worte sehr …«
    Ich unterbrach Elisabeth. Warum riss sie beim Reden die Augen so weit auf? Warum hatte sie von zwei Mails gesprochen? Und warum hatte sie »Jo, Herr Walder« gesagt? Nicht vom Kurs abbringen lassen.
    »… beruhigt haben, das kann ich verstehen. Sie müssen zwischenzeitlich gedacht haben, dass ich nicht zu meinem Versprechen stehe und dass es mir um ganz andere Dinge gehen würde. Nun …«
    Jetzt unterbrach sie mich, indem sie ihre rechte Hand auf mein Knie legte. Diesmal zuckte ich zurück.
    »Nein, das habe ich nicht gedacht, und wenn, dann nur einmal ganz kurz, nachdem …«
    Was war das für ein komisches Punkt-Punkt-Punkt-Gespräch.
    »… nachdem ich Ihnen alles schon in der Mail geschrieben habe, will ich es kurz machen. Sie können jederzeit bei den
Metro-News
anfangen, ein Telefonat mit dem Chef der Politikredaktion genügt. Was meinen Sie, wollen wir ihn schnell gemeinsam anrufen?«
    »Hier, jetzt, ich dachte, dass wir …«
    Ich hatte die Nummer schon gewählt.
    |231| »Ulf, hier ist Johann. Hast du eine Minute? Ich will dich kurz mit Frau Renner verbinden. Ja, genau, der Praktikantin, über die wir neulich gesprochen haben. Moment.«
    Ich gab Elisabeth das Telefon. Sie sah mich an, als wolle ich ihr ein heißes Bügeleisen mit der flachen Seite zuerst in die Hand drücken.
    »Aber …«
    »Nun machen Sie schon, Elisabeth. Der Mann hat nicht ewig Zeit.«
    »Okay, aber …«
    Sie meldete sich artig mit Elisabeth Renner, sagte etwas wie, dass alles ganz plötzlich käme, sie sich aber sehr über die unerwartete Chance freue, und verabredete, in der kommenden Woche mit dem Praktikum zu beginnen. Als sie fertig war, reichte sie mir das Handy wieder herüber. »Ich gebe Ihnen Herrn Walder noch einmal. Bis nächste Woche und vielen Dank im Voraus«, hatte sie zum Schluss gesagt.
    »Ulf, du wirst deine Entscheidung nicht bereuen. Frau Renner ist wirklich ein großes Talent. Wir sehen uns.« Ich drückte auf die rote Taste und sah Elisabeth direkt ins Gesicht.
    »Und, zufrieden?«
    »Ja, nein, natürlich, aber …«
    »Was aber, was nein?«
    Was würde sie jetzt sagen? Aber es ist schon schade, dass wir künftig nicht mehr zusammenarbeiten? Aber es tut weh, dass wir uns bald nicht mehr sehen? Das waren meine Gedanken, immer noch, trotz Grainer, der Herr Reinhardt gewesen war, trotz Strucks unmissverständlicher Warnung, trotz all der Beziehungen zwischen Chefs und Untergebenen, für die ich nie Verständnis gehabt hatte. Für einen Moment drohte ich die so mühsam erarbeitete Kontrolle zu verlieren, für einen Moment schien der Johann den Chefredakteur Walder verdrängen zu können. Dann antwortete Elisabeth.
    »Aber, so

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