Die Praktikantin
schnell finde ich doch nie eine Wohnung in München.« |232|
Ich griff in meine Hosentasche, holte das viel zu schwere Schlüsselbund heraus und fummelte die zwei größten Schlüssel ab.
»Daran soll es nicht scheitern. Sie können gern vorübergehend in meiner alten Wohnung leben, Elisabeth. In der nächsten Zeit komme ich sowieso erst einmal nicht nach München. Und wenn …«
»Dann schlafen Sie selbstverständlich …«
»… bei einem Freund oder im Hotel. Wollen wir losfahren? Nicht, dass der Kollege Struck uns hier noch so zusammen sieht. Was soll der denken?«
Wahrscheinlich das, was alle dachten, Elisabeth eingeschlossen. Dass ich mich in meine Praktikantin verliebt hatte.
»Herr Walder …«
Elisabeth sah nicht aus wie eine junge Frau, für die gerade ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen war. Ihre Höflichkeit hatte sie trotzdem nicht verloren.
»… vielen Dank, dass Sie mir das Praktikum in München besorgt haben. Und vielen Dank, dass ich erst einmal Ihre Wohnung benutzen darf. Ich weiß gar nicht, wie ich das wiedergutmachen soll. Vielen, vielen Dank für alles.«
Sie beugte sich zu mir herüber, aber ich war schneller und hatte den rechten Arm schon ausgefahren. Wir schüttelten uns die Hände. Aus dem Augenwinkel glaubte ich, Willi Struck sehen zu können.
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|233| VIERUNDDREISSIG
Meine letzten Tage bei der
Wützener Zeitung
waren ernüchternd. Wenn Johann in der Redaktion war, beachtete er mich kaum. Ein, zwei Mal fragte ich ihn etwas wegen der Wohnung, wollte wissen, was ich mitnehmen sollte. Er antwortete knapp und sachlich, wirkte seltsam gehetzt. Ich hatte das Gefühl, dass er sich absichtlich von mir fernhielt. Am vorletzten Tag sprach ich ihn direkt darauf an.
»Herr Walder, haben Sie etwas gegen mich? Nerve ich Sie? Sie sind in der letzten Zeit so komisch. Und telefoniert haben wir seit der Sache mit Clemens und Grainer auch nicht mehr.«
»Quatsch«, sagte er, »ich habe einfach nur viel zu tun, habe schließlich keinen Stellvertreter mehr und einen Redakteur weniger. Das ist alles.« Leider müsse er auch jetzt dringend weg, angeblich zu einem Vorstellungsgespräch mit einem Bewerber für die vakanten Stellen. Warum hatte er mich eigentlich nicht gefragt, ob ich daran Interesse hätte? Ich hielt ihn am Ärmel fest.
»Aber mir fehlt wirklich etwas, wenn wir nicht hin und wieder abends telefonieren. Oder uns treffen.«
»Ihnen fehlt wirklich etwas?«
»Ja, Herr Walder, mir fehlt wirklich etwas. Es ist echt schade, dass wir auf einmal nicht mehr so viel Kontakt wie früher haben. Habe ich irgendetwas falsch gemacht?«
»Nein, überhaupt nicht. Es ist nur, es ist …«
»Was?«
»Ach nichts. Ich muss los.«
»Wollen wir nachher noch einmal sprechen?«
Johann sah auf einmal unendlich traurig aus. Aus dem Hintergrund hörte ich Frau Schmidt rufen, dass sein Gast im
Bistro Bianco
auf ihn warte.
|234| »Ich muss wirklich los, Elisabeth. Entschuldigen Sie.«
Am nächsten Tag war er weg. Auf einer Dienstreise, von der niemand etwas gewusst hatte. Ich schrieb ihm eine Mail und bekam eine Abwesenheitsnotiz. »Vielen Dank für Ihre Mail. Ich bin erst am Montag wieder erreichbar. In dringenden Fällen wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter Telefon …« Es kam die Nummer von Frau Schmidt.
Ich räumte meine Sachen zusammen, verteilte Omas selbstgebackenen Butterkuchen und Sekt in Plastikbechern unter den verbliebenen Kollegen. »Es war schön, dass du bei uns warst«, sagte Kalle Peperdieck, der sich offenbar berufen fühlte, Johann zu vertreten.
»Schade, dass der Chef ausgerechnet heute nicht dabei sein kann«, ergänzte Rita Bolzen. »Aber ihr werdet euch ja bestimmt nicht aus den Augen verlieren.«
Das hoffte ich. Doch Johann war auch am Wochenende nicht zu erreichen, zumindest für mich nicht. Frau van Daggelsen hatte er gesagt, er müsse kurzfristig weg und komme erst am Montag wieder. Am Sonntagnachmittag, mein Zug nach München fuhr in einer halben Stunde, schrieb ich ihm eine SMS.
»Lieber Herr Walder, warum sind Sie so plötzlich verschwunden und melden sich nicht mehr? Wenn ich Sie ab sofort duze, rufen Sie dann heute noch einmal an?«
Keine Reaktion. Auf dem Bahnhof probierte ich es wieder.
»Lieber Johann (Sie sehen, ich mache Ernst), sag mir doch bitte, was ich falsch gemacht habe und warum du auf mich böse bist. Mein Zug nach München fährt gleich, und ich habe jede Menge Zeit zu telefonieren. Meld dich!«
Erst kurz vor München bekam ich
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