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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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und mir schien, als habe die Göttin uns bereits verlassen. Dennoch war mir bewusst, dass dieses Gelübde allen abverlangt wurde, die als Priesterinnen in Avalon dienten.
    »Ich schwöre«, sagte ich froh, denn selbst in dieser kurzen Erscheinung hatte meine Seele begonnen, sich nach dem jungen Mann zu sehnen, den ich erblickt hatte.
    »Es ist gut«, sagte die Jungfrau, »doch es gibt noch eine Andere, die du anhören musst…« Ich lehnte mich zurück und wandte mich der zweiten Gestalt zu, deren roter Schleier im Schein der Fackeln leuchtete.
    » Ich bin die anschwellende Frucht an den Ästen. Ich bin der Vollmond, der den Himmel beherrscht… « Diese Stimme war volltönend wie das Schnurren einer großen Katze, honigsüß und tröstlich wie frisch gebackenes Brot.

    » Ich bin die Sonne in all ihrer Pracht,
    der warme Wind, der das Korn reifen lässt.
    Ich gebe mich in meiner Zeit des Jahres
    Und schaffe Überfluss.
    Ich bin Gemahlin und Mutter, ich gebäre und verschlinge.
    Ich liebe und werde geliebt,
    und eines Tages wirst du Mir gehören… «

    Während ich dieser Stimme lauschte, wusste ich, dass auch das die Göttin war. Ich neigte mein Haupt in Ehrfurcht. Und in dieser Geste des Einverständnisses wurde mir erneut eine Vision zuteil.
    Ich befand mich an Bord eines römischen Handelsschiffes, das unter vollen Segeln dahinrauschte. Das Meer hinter mir glitzerte silbern, und das Schiff glitt in die Mündung eines mächtigen Flusses, der zahlreiche Seitenarme durch die Küstenebene gezogen hatte. Neben mir stand der Mann, der mir den Hof gemacht hatte, und blickte starr geradeaus auf den Horizont. Das Bild veränderte sich: Ich war hochschwanger, dann hielt ich das Kind an meiner Brust, einen großen, gesunden Jungen mit hellem Haarschopf. Der Schreck, der mich durchfuhr, als ich spürte, wie das Kind in meine Brustwarze biss, brachte mich wieder in die Wirklichkeit zurück.
    »Ich höre dich«, flüsterte ich, »und wenn meine Zeit kommt, will ich dir dienen.«
    »Das wirst du«, erwiderte die Herrin, »aber hier ist noch eine Andere, die du anhören musst…«
    Mich überlief ein Schaudern, als die dunklen Falten, in welche die dritte Gestalt gehüllt war, sich bewegten.
    » Ich bin die Nuss, die am nackten Zweig hängt «, flüsterte es rauh wie der Wind, der im Winter durch die kahlen Äste fegt.

    » Ich bin der abnehmende Mond, dessen Sichel die Sterne erntet.
    Ich bin die untergehende Sonne
    Und der kalte Wind, der die Dunkelheit verkündet.
    Ich bin reif an Jahren und an Weisheit;
    Ich sehe alle Geheimnisse hinter dem Schleier.
    Ich bin die Alte und Erntekönigin, die Hexe und die Weise,
    und eines Tages wirst du Mir gehören… «

    Das Flüstern war wie ein Wind, der mein Bewusstsein erneut mit sich forttrug. Ich sah mich gealtert, die Kleider zerrissen, die Wangen tränenüberströmt, während ich einem Bestattungsfeuer beiwohnte. Einen Augenblick lang sah ich den hellhaarigen Mann in den Flammen. Bei dieser schmerzhaften Erkenntnis veränderte sich das Bild. Vor mir erschien eine Halle in Marmor und Gold, in der ich mit Diadem und purpurnen Gewändern stand.
    Noch ehe ich mich fragen konnte, was ich dort machte, befand ich mich in einer anderen Szene. Schwarz gekleidet schritt ich am sandigen Ufer eines strahlend blauen Meeres entlang. Ich wandte mich vom unbarmherzigen Glitzern der Sonne auf dem Wasser ab und einer Landschaft aus blankem Fels zu, welche die herbe Schönheit eines bloßen Schädels ausstrahlte. Sie flößte mir Furcht ein, und doch wusste ich, dass mein Weg mich unweigerlich dorthin führen würde.
    Bei diesem Anblick erfüllte mich die Sehnsucht nach den kühlen Nebeln und den grünen Hügeln meiner Heimat; ich kam wieder zu mir und saß auf der Wiese am heiligen Brunnen.
    »Du bist die Göttin«, hauchte ich, »und ich will dir dienen. Lass mich nur mein Leben hier in Avalon beschließen…«
    »Du bittest um Mitgefühl?«, fragte die schwarz verschleierte Gestalt. »Ich habe keins - ich zeige dir nur die Notwendigkeit. Du kannst mir nicht entkommen, denn ich bin deine Bestimmung.«
    Zitternd schrak ich zurück, doch zum Glück sprach die weise Frau nicht weiter.
    Ich war mir nicht bewusst, wie viel Zeit vergangen war, doch als ich aufblickte, wurde der Himmel über uns hell, und ich spürte die feuchte Kühle, mit der sich die Morgendämmerung ankündigt.
    »Du hast der Göttin gegenübergestanden«, sagte Cigfolla, »und SIE hat deine Gelübde angenommen. Gereinigt wirst du
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