Die Priesterin von Avalon
wiederhergestellt werden. Es ist deine Pflicht, zurückzukehren.«
»Pflicht!«, rief ich aus. »Was ist mit meiner Pflicht gegenüber Konstantius?«
»Er hat rechtlich keine Macht über dich, und du bist nicht im Fleische. mit ihm verbunden, jetzt, da du das Kind verloren hast…«
»Ist das alles, was du begreifen kannst?«, schrie ich sie an, die Hände schützend vor meinem leeren Leib gekreuzt. »Was ist mit den Bindungen zwischen Herz und Seele? Was ist mit der Prophezeiung?«
»Meinst du, das rechtfertigt deine Rebellion?«, schnaubte Ganeda verächtlich. »Ein einfacher Anflug von Lust wäre verzeihlicher gewesen, meine Liebe…«
»Ich brauche deine Vergebung nicht! Ich will sie nicht!« Ich merkte, wie ich lauter wurde, und rang um Fassung. »Du hattest das Recht, mich zu verbannen, aber nicht, mich hin-und herzuzerren wie eine Marionette! Du warst es, nicht ich, die meine Gelübde gegenüber Avalon für ungültig erklärt hat. Und das, was ich Konstantius geschworen habe, werde ich auch nicht brechen. Ich habe dieses Kind verloren, ja, aber ich werde ein anderes haben. Ich habe das Kind in meinen Armen gesehen!«
Ganeda betrachtete mich mit missbilligender Miene. »Als wir das Ritual planten, berechnete Arganax die Bahn der Sterne. Wir wissen, was sie für ein Kind bestimmt hätten, das bei dem damaligen Beltanefest gezeugt worden wäre. Wer weiß, was das Kind anstellt, das du Konstantius schenkst? Ich sage dir jetzt, dass der Tag kommen wird, an dem du dir wünschst, er wäre nie geboren worden!«
Ich hob eine Augenbraue und schaute auf sie herab. »Aha, ich verstehe. Es ist falsch, dass ich meinen Willen über deinen erhebe, aber du hast alles Recht, deinen über den der Götter zu setzen! Hast du uns nicht selbst gelehrt, dass die Schicksalsgötter unser Leben nach ihrem Willen weben und nicht, wie du oder ich es gerne hätten? Mein Sohn wird kein Werkzeug in den Händen von Avalon!«
»Dann solltest du lieber beten, dass er wenigstens weiß, wie man den Göttern dient!«
»Wie kannst du daran zweifeln?«, rief ich in meinem Stolz. »Er wird der Sohn, den der Erneuerer des Lichts mit einer Priesterin von Avalon zeugt!«
»Ich zweifle nicht an den Göttern«, antwortete Ganeda rasch, »aber ein langes Leben hat mich gelehrt, den Menschen nicht zu trauen. Ich wünsche dir alles Gute, Tochter meiner Schwester.« Sie stützte sich schwer auf ihren Stock, als sie sich erhob. Jetzt sah sie wirklich gealtert aus.
»Warte«, sagte ich unwillkürlich. »Du hast eine lange Reise hinter dir, und ich habe dir keine Erfrischung angeboten…«
Doch Ganeda schüttelte nur den Kopf. »Du sollst nicht mehr belästigt werden, weder von mir noch von Avalon…«
Ich verstand ihre Worte, doch als ich ihr nachsah, schien mir, die Erinnerung an diese Unterhaltung würde mich in Zukunft noch lange heimsuchen.
Ich weiß nicht, woran es lag, ob ich wieder vollständig genesen war oder ob Ganedas Herausforderung mich angeregt hatte, aber nach ihrem Besuch kehrte meine Energie zurück. Ich nahm aktiver an den Vorbereitungen für den Umzug teil, und als Konstantius ein paar Tage bevor wir planmäßig mit dem Schiff zum Kontinent ablegen sollten, erwähnte, er müsse auf das Land reiten, um sich von einem Vetter seines Vaters zu verabschieden, fragte ich ihn, ob ich ihn begleiten dürfe.
Unsere Schiffsreise rückte immer näher, und ich begann, Eburacum mit anderen Augen zu sehen. Ich hatte nicht lange genug dort gelebt, um es als Heimat zu betrachten, aber es gehörte zu Britannien, das ich so bald schon verlieren sollte. Die Stadt selbst indes war römisch, nicht britannisch, sodass ich die Geister des Landes nur am Fluss zu spüren vermochte. Außerhalb der Stadt würde ich gewiss leichter mit ihnen in Verbindung treten und mich verabschieden können.
Konstantius hatte für die Fahrt einen zweirädrigen Karren gemietet, den das treue rote Maultier zog. Niedrige Hügel bestimmten die Landschaft, die nach Westen hin allmählich anstieg und am Horizont in Berge überging, die im Dunst eher zu ahnen denn zu sehen waren. Am zweiten Tag erreichten wir Isurium, die alte Hauptstadt der Brigantes, die jetzt ein geschäftiger Marktflecken war. Isurium lag in einer Flussbiegung des Abus, kurz vor der Stelle, an der die Straße den Fluss noch einmal überquerte.
Flavius Pollio hatte sich nach einer erfolgreichen Laufbahn in Eburacum hierher zurückgezogen und war jetzt Beamter. Stolz führte er uns sein neu errichtetes
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