Die Priesterin von Avalon
imstande, die Poststationen zu benutzen«, sagte er schließlich. »Das ist aber recht so, da wir einen ganzen Haushalt zu transportieren haben. Wir können einen Teil der Reise zu Wasser zurücklegen - über die Nordsee, und dann mit einem Flussschiff rhenusaufwärts. Das wird leichter für dich sein…« Plötzlich schaute er zu mir auf. »Du kommst doch mit, oder?«
Einen Vorteil hatte es ja, nicht richtig verheiratet zu sein, überlegte ich nüchtern, Konstantius hatte von Rechts wegen keine Handhabe, mich zu zwingen. Aber das Kind in meinem Leib band mich an ihn - das Kind und die Erinnerung an eine Prophezeiung.
Konstantius mochte als Junggeselle in der Lage gewesen sein, auf der Stelle aufzubrechen, jetzt aber musste ein ganzer Haushalt umziehen, und er musste die Aufsicht über sein Geschäft in kundige Hände übergeben. Die Zinngießereien waren in dem Jahr, in dem er die Verantwortung getragen hatte, vergrößert worden. Die Sklaven, welche die eigentliche Arbeit verrichteten, waren alle sehr geschickt, doch der Produktionsumfang überstieg die Fähigkeiten des vorherigen Bevollmächtigten bei weitem. Es erforderte Zeit, einen geeigneten Mann zu finden und ihn einzuweisen.
In dieser Zeit nahmen die Pestfälle zu. Falls die Krankheit den Stab des Kaisers ebenso dahingerafft hatte wie die Bevölkerung von Eburacum, zeugte Aurelians Einladung vielleicht weniger von Edelmut als vielmehr von Verzweiflung. Dieser Gedanke ließ mich nicht los.
Der Sklavenjunge Philipp wurde krank, und ich pflegte ihn, obwohl Drusilla protestierte. Die Krankheit machte sich durch quälenden Husten und lang andauerndes, hohes Fieber bemerkbar. Ich wickelte Philipp in kalte, feuchte Tücher und verabreichte ihm Tee aus weißer Weide und Birke, deren Verwendung ich in Avalon gelernt hatte, und es gelang mir, Philipp so lange am Leben zu halten, bis das Fieber schließlich sank.
Niemand in unserem Haus steckte sich an, doch die langen, anstrengenden Stunden hatten mir Kraft geraubt. Ich begann zu bluten, und nach einigen Stunden entsetzlicher Krämpfe verlor ich mein Kind.
Der Sommer und mit ihm die Vorbereitungen für unsere Abreise aus Britannien gingen zu Ende, als Philipp in mein Gemach trat, um mir einen Besucher anzukündigen. Ich lag, in ein Umhängetuch gewickelt, auf einer Liege, Eldri zu meinen Füßen. Es war Sommer, doch in der Nacht zuvor waren vom Meer her Wolken aufgezogen, und eine kühle Feuchtigkeit lag schwer in der Luft. Konstantius war zu einer Versammlung im Mithraeum gegangen - kein Ritual, denn die wurden immer nachts abgehalten, vielmehr zu einer geschäftlichen Angelegenheit, die den Tempel betraf. Ich wusste nicht, welchen Rang er in den Mysterien bekleidete, aber seine Verantwortung innerhalb der Verwaltung ließen eine hohe Stellung vermuten.
Ich hatte so getan, als wollte ich mir den Liebesroman von Longus ansehen, den Konstantius mit nach Hause gebracht hatte, damit ich mein Griechisch auffrischen konnte. Der Titel lautete »Hirtengeschichten von Daphnis und Chloe«, und die exotischen Abenteuer hätten eine gute Ablenkung sein sollen. In Wirklichkeit hatte ich geschlafen. Ich schlief viel - damit fiel es leichter, zu vergessen, dass es die Helligkeit, die für kurze Zeit in meinen Leib eingezogen war, nicht mehr gab. Als Philipp etwas sagte, entrollte ich das Pergament.
»Ich werde sie wieder fortschicken…«, sagte Philipp fürsorglich. Seit seiner Genesung und meiner Erkrankung folgte er mir wie mein Schatten, als wären wir durch unseren Schmerz einander verbunden.
»Nein - wer ist es?«, fragte ich und warf rasch einen Blick durch das Zimmer, um sicherzustellen, ob man sich damit sehen lassen konnte.
Die Wände waren in warmen Goldtönen gestrichen und mit Girlanden aus Akanthusblättern verziert. Ein paar gestreifte Läufer, die hier vor Ort gewebt wurden, nahmen dem gefliesten Boden die Kälte. Ein Korb mit Wolle und eine Spindel lagen auf einem Tisch, ein paar Buchrollen auf einem anderen, aber der Raum war sauber. Wenn die Gemahlin eines von Konstantius' Geschäftspartnern mich sehen wollte, dann sollte ich mir Mühe geben, ihr höflich zu begegnen.
»Ich glaube, sie verkauft Kräuter. Sie hat einen zugedeckten Korb bei sich… Sie behauptet, sie habe ein Mittel für deinen Schmerz«, fügte er unglücklich hinzu. »Ich habe ihr nichts gesagt, Herrin, ich schwöre…«
»Ist schon gut, Philipp. Die Leute reden untereinander - bestimmt hat ihr jemand aus der Stadt von meinen
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