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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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zwei Jahre zuvor erschüttert hatte. Doch selbst zu der Zeit, als Rom noch Anspruch auf Dakien erhob, hatten sich die Berge im Norden dem Eindringen der Legionen widersetzt. Die Goten waren in der Wildnis verschwunden wie Schnee im Sommer. Aber jetzt war Winter, und aufgrund schwindender Nahrungsvorräte waren sie gegenüber den wohlgenährten Legionen im Nachteil.
    Das zumindest konnten wir hoffen. Der Gedanke an Konstantius, der nass und ausgehungert auf dem Marsch war, während ich warm vor dem Feuer saß, tat mir in der Seele weh. Aber ich konnte ihm nicht helfen. Nur mein sehnsüchtiger Geist überbrückte die vielen Meilen, die uns trennten, als könnte ich ihm damit ein wenig Trost schicken.
    Je weiter der Winter fortschritt, umso mehr schien mir, als könnte ich seinen Geist wirklich berühren. Ich hatte es bereits versucht, als Konstantius in Syrien war, jedoch ohne Erfolg. War jetzt, da ich sein Kind unter dem Herzen trug, die Bindung stärker geworden, oder hatte meine fortdauernde Schwangerschaft mein Selbstvertrauen wiederhergestellt, das ich verloren hatte, als ich aus Avalon verbannt wurde?
    Ich wagte nicht, näher nachzufragen. Ich begnügte mich damit, an den langen Winterabenden vor dem Kaminfeuer zu sitzen, leise zu summen, während ich mir das Haar auskämmte, und eine Vision von Konstantius zuzulassen, die in den glühenden Kohlen entstand.
    An einem solchen Abend - es war kurz vor der Sonnenwende, an der die Soldaten die Geburt des Mithras feiern - trat das Bild in der Glut mit ungewöhnlicher Schärfe hervor. Ein verkohltes Holzscheit verwandelte sich in ein Gebirge, die glosenden Äste darunter wurden zu Palisaden um ein rechtwinklig angelegtes römisches Heerlager mit fein säuberlich aufgereihten Zelten. Lächelnd ließ ich der Vorstellung freien Lauf. Vielleicht begab sich Konstantius gerade jetzt in einem solchen Lager zur Nachtruhe. Ich beugte mich vor und zwang mich, das Zelt zu finden, in dem er lag…
    …und plötzlich war ich mitten in diesem Lager und blickte auf einstürzende Zelte und umherlaufende Männer, die von den Flammen der brennenden Palisaden beleuchtet wurden. Die Goten hatten sie überfallen. Speerspitzen blitzten auf wie explodierende Funken, während die Römer sich aufstellten, Schwerter zuckten wie züngelnde Flammen hin und her. Völlig außer mir suchte ich nach Konstantius, bis ich ihn schließlich Rücken an Rücken mit Crocus sah. Er verteidigte sich mit einem für das römische Fußvolk typischen Pilum, während der große Germane mit einem längeren germanischen Speer focht, und ihre Tapferkeit zwang die Angreifer, vor ihnen zurückzuweichen.
    Doch selbst in vereintem Bemühen konnten sie nicht das gesamte gotische Heer besiegen, und die restlichen Römer zogen bereits den Kürzeren. Die Goten waren in der Übermacht! Jetzt drang das nächste Kontingent auf Konstantius ein. Instinktiv sprang ich mit einem unartikulierten Laut vor. Ich weiß nicht, was die Goten sahen, aber sie prallten zurück.
    Plötzlich fiel mir bruchstückhaft ein, was ich einst in Avalon als historische Besonderheit gelernt hatte, für die wir bestimmt keine Verwendung mehr finden würden. In alten Zeiten hatte man den Priesterinnen der Druiden Schlachtmagie beigebracht, einen Zauber, um ihre Krieger zu schützen. Der Schrei der Rabengöttin hatte die Macht besessen, den Feind seiner Kraft zu berauben.
    Dieser Schrei stieg jetzt in meiner Kehle auf, ein Schrei des Zorns, der Verzweiflung, der äußersten Verneinung. Ich breitete die Arme aus, und sie wurden zu schwarzen Schwingen, die mich aufwärts trugen. Ungeheure Wut durchdrang mich an Leib und Seele.
    Die Goten schauten mit offenen Mündern auf, kreuzten die Finger im Zeichen gegen das Böse, als ich auf sie zuschwebte. Sie waren keine Römer, die aus abstrakten Begriffen Gottheiten und aus ihren Göttern abstrakte Prinzipien machten. Für sie war die Welt der Geister Wirklichkeit.
    » Waelcyrige! Haliruna! «, schrien sie, als ich drohend über ihnen aufragte. Dann öffnete ich den Mund, und der Schrei, der mir über die Lippen kam, raubte ihnen die Sinne und mir das Bewusstsein.
    Als ich die Augen wieder aufschlug, beugten sich Drusilla und Philipp mit kreidebleichem Gesicht über mich.
    »Herrin! Herrin! Was war los? Wir haben einen Schrei gehört…«
    Ich schaute sie an. Ich wollte nicht, dass die Hingabe, mit der sie mir dienten, in Furcht umschlug.
    »Ein Albtraum, glaube ich«, murmelte ich. »Ich muss vor dem Feuer

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