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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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und er war zu schwach, seine Boten zu beschützen? Uvelan hatte nie gewagt, diesen Gedanken zu nähren, diese Frage auch nur zu betasten. Jetzt aber loderte sie in ihm auf wie ein Feuer, das der Wind anfacht. Was, wenn Tietgaud im Recht war, wenn allein der Christengott die Menschen retten konnte? Mit wieviel Sicherheit hatte der Mönch es gesagt: »Unser Gott ist auch der Herrscher über Leben und Tod. Und wenn es nicht sein Wille ist, wird er niemals zulassen, daß man uns ein Haar krümmt.«
    »Und du, Svarogh? Wie entlohnst du mir meine Dienste? Was hat man davon, wenn man dich verehrt?« Seine Arme erbebten. »Einen Fluch hast du auf mich geschleudert.«
    Eine Bewegung. Ein Rascheln im Gebüsch. Uvelan richtete den Kopf auf und starrte ins Dunkel. Es war Nacht geworden; der von Laub und rottenden Ästen bedeckte Boden leuchtete in dumpfem Grau. Wo Sträucher gestanden hatten, erhoben sich nun schwarze, drohende Gestalten, die tastend ihre Finger in die Dunkelheit streckten. Uvelan konnte kaum die Stämme der umstehenden Bäume erkennen. Dahinter versank der Wald in Schwärze. Kamen Geister, um ihn zu quälen?
    »Svarogh wird euch strafen«, rief er. »Wagt es nicht, euch zu nähern.«
    Erneutes Rascheln. Deutlich sah er den schwarzen Schatten, der über den Boden huschte. Zürnte ihm Svarogh? War das die Antwort des Lichtbringers? Die Gewißheit traf ihn wie ein Stoß, als das erste Paar weißer Fänge in seiner Nähe aufblitzte.
    Wölfe.
    »Svarogh!« schrie er. »Du wirst mich nicht töten. Ich bin dein Priester, und du hast mich hart genug bestraft. Es ist genug. Hörst du? Genug!«
    Ein heißer, stinkender Atem kam nahe. Uvelan warf sich zur Seite. Er hörte Zähne zusammenschlagen.
    Zorn entbrannte in ihm. Er stand auf, den Rücken zum Totenstein, donnerte: »Verschwindet, Wolfspack!«
    Gelbe Augen. Kein Fauchen, kein Knurren. Geduldig, fragend: Zehn gelbe Augenpaare um ihn in der Finsternis.
    »Ja, ihr sollt verschwinden! Ich bin Uvelan, Priester Svaroghs, und ich spreche mit dem Geist des Totenbaums. Ich habe dem uralten Stein geopfert und das heilige Wasser getrunken. Ihr habt keine Macht über mich! Ich bin Svaroghs Priester.«
    Ein hungriges Pfeifen aus mehreren Wolfskehlen. Es klang verzweifelt.
    War das Fackelschein im Wald? Ein kleines, helles Licht, das die Bäume beleuchtete. Alena, die nach ihm rief. Männerstimmen, die seinen Namen wiederholten.
    Er zischte: »Und wagt es nicht, euch an jenen zu vergreifen. Ihr geht heute hungrig aus, Gesindel.«
    Die Wölfe wurden unruhig. Ihre Augen verschwanden. Uvelan konnte graue Schatten auf und ab laufen sehen. Ein letztes Augenpaar sah zu ihm hinüber, stille Geduld, die ein Wiederkehren versprach, ein Wiedersehen zu späterer Zeit.
    »Wir sehen uns nicht wieder«, sagte Uvelan. »Bestimmt nicht.«
    Und dann erleuchtete eine Fackel den Boden, wo eben noch die Wölfe gekauert hatten.
     
    Der Hüne trat an den Baum heran. »Ist das eine Eibe?«
    »Ein Totenbaum«, hauchte Audulf. »Und ein seltsamer Felsen.«
    Brun blickte in den Wald. »Da waren doch Schatten, die um Euch herumgesprungen sind. Ich habe es gesehen, Wölfe! Und Ihr seid unverletzt.«
    »Schon die Kinder lernen das«, sagte Audulf. »Wer im Schatten einer Eibe schlummert, erwacht nie wieder. Er aber lebt.«
    »Wir haben Euch gesucht, den ganzen Tag«, fauchte Tietgaud. »Hättet Ihr uns nicht damals das Leben gerettet und hätte uns nicht Alena ständig daran erinnert –« Er stockte.
    Der Alte sah verändert aus. Aufrecht stand er vor dem Steinaltar wie ein König vor dem Thron. Eine silberne Schlange blitzte im Fackelschein an seinem Handgelenk, ein bronzenes Messer steckte im Gürtel. Das wilde Flackern in den Augen schien nicht allein vom Feuerlicht herzurühren, es kam von innen und deutete auf eine Kraft hin, die sich noch verbarg und kaum ausgeschöpft war. Über die Stirn lief eine grüne Binde.
    »Was ist das?« Damit wies der Mönch auf Uvelans Handgelenk. »Und das?« Er zeigte auf das Messer am Gürtel.»Und das?« Fast bohrte sich der Finger in die Stirn des Alten. »Das Armband ist aus Silber. Kunstwerke einer solchen Art, mit Verzierungen, die so fein und genau gearbeitet sind, stellen Wenden nicht her.«
    »Ihr irrt Euch.
Wenden
, wie Ihr sie in Eurer Unwissenheit nennt, sind hervorragende Silberschmiede.«
    Der Mönch schob Uvelans Worte mit einem einzigen verächtlichen Raffen der Augenbrauen beiseite. »Und dieser Dolch in Eurem Gürtel ist aus purer Zinnbronze.

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