Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
Suchten sie sich immer den Stärkeren?
    Mutter hatte gewußt, auf wessen Seite sie gehörte. Es schien Alena plötzlich, als sei Vater derjenige gewesen, der in eine bestehende Ehebindung eingebrochen war, als hätten Uvelan und Kara alles Recht der Welt gehabt, sich zu lieben.
    Sie folterten Uvelan! Sie mußte etwas unternehmen. Und es war ihr gleich, ob sie dabei ihr Leben einsetzte und ihrem Vater schadete. Der Gedanke erschreckte sie, aber er war unbezweifelbar da: Es kümmerte sie nicht einmal, ob Rethra dabei vernichtet würde.
    Wieder und wieder wickelte sie in den nächsten Stunden fertiges Gewebe auf den Tuchbaum, indem sie ihn drehte, und hielt sich so die Arbeitskante auf Brusthöhe. Das Weben bereitete ihr keine Freude, aber es schien ihr, als würde es das Denken erleichtern, als würde es ihr helfen, Klarheit über die nächsten Schritte zu gewinnen und über ihre Stellung in den außergewöhnlichen Zeiten, die Rethra offenbar bevorstanden. War sie es nicht, die das Durcheinander verschuldet hatte? Sie konnte es nicht einfach durch einen heimlichen Rückzug beenden und sich dabei den Tod Uvelans und der Franken auf das Gewissen laden. Die einzige Möglichkeit, die geblieben war, schien Zerstörung und Neuaufbau zu sein. Ohne daß Uvelan dabei Schaden nahm. Und Embricho, der Verräter?
    Unter den Füßen des Wachpostens knirschte der Sand. Während Alena diesem Geräusch lauschte, ohne von der Arbeit aufzusehen, dämmerte es ihr, daß das Knirschen schon eine Weile erklungen war, ohne ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen; es hallte förmlich in ihren Ohren nach.
    Sie lächelte grimmig, warf einen raschen Blick auf den Mann. Die Art, wie er am Hosenbein herumzupfte, der Umstand, daß er seine Füße nicht ruhig hielt und wie gelangweilt durch den Raum blickte, all das verriet, daß sie nicht mehr lange warten müssen würde.
    Vielleicht wußte er es selbst noch nicht, daß er sich entleeren gehen mußte. Aber er würde die Unruhe nicht loswerden, und irgendwann würde der Bauch drücken, ein leichtes Stechen würde einsetzen.
    So hatte es Alena selbst durchgemacht, gestern. Sie hatte sich schon am Vormittag erleichtern wollen, aber als der Wachposten deutlich gemacht hatte, daß er sie begleiten würde, hatte sie wütend den Mund gehalten und es bis über Mittag hinausgezögert. Tatsächlich war er dann mit ihr gekommen, als sie es nicht weiter hinausschieben konnte und fürchtete, das Kleid zu nässen, hatte sie beobachtet, ohne sich dabei zu schämen. Eine Demütigung, schlimmer als Schläge. »Es geht nicht, wenn du zuschaust«, hatte sie gefaucht, aber er hatte nur gegrinst und gewartet.
    Inzwischen schlug er sich hektisch mit zwei Fingern auf den Gürtel, wippte auf den Zehenspitzen.
    Sie mußte nur abwarten.
    Er ging einige Schritte, pfiff eine Melodie. Trat zur Tür, öffnete sie und sah auf den Hof. Dann drehte er sich abrupt um. »Ich verschwinde für einen Augenblick. Nicht länger, als du brauchst, um bis drei zu zählen. Wenn du Dummheiten machst, schneide ich dir die Nase ab, eigenhändig, mit diesem Dolch!« Er tippte auf die Scheide an seinem Gürtel. »Ich habe den Hof im Blick!«
    Nachdem sie die Beherrschung über sich erlangt hatte, indem sie sich zu ruhigem Atmen zwang, kehrte Alena ihm das Gesicht zu, schloß die Augenlider und nickte. Sie täuschte ein Gähnen vor.
    Die Tür schlug hinter dem Posten zu, und augenblicklich sprang Alena hinüber, drückte das Ohr dagegen und verfolgte die sich entfernenden Schritte. Sie hielt die Luftan, hatte die Augen weit aufgerissen. Ja, hinter das Haus ging er, der Torfkopf.
    Um einen winzigen Spalt schob sie die Tür auf. Prebila stand auf der gegenüberliegenden Seite des Burghofs, brach in Gelächter aus, gegen einen der Pferdeknechte die Hand erhoben. Gleichzeitig glühte ihr Gesicht vor Wohlwollen. Der Pferdeknecht hielt einen Korb mit Rüben in den Händen und lachte ebenfalls, so sehr, daß ihm der Korb jeden Augenblick aus den Händen zu fallen drohte. Vielleicht würden sie sie nicht bemerken. Zu den Häusern der Gardisten konnte sie es nicht schaffen; zwar würde sie gut untertauchen können in dem Gewühl von Menschen, die sich in der Vorburg bereits für das Opfer versammelten, aber auf dem Weg dorthin mußte sie die Tore passieren, und dort standen aufmerksame Wachen.
    Hinter den Tempel. Dort würden sie zuletzt suchen.
    Wieder hallten Prebilas Lachen und das Lachen des Pferdeknechtes über den Hof. Alena schlüpfte aus dem Haus und ging

Weitere Kostenlose Bücher