Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
nickte.
Welchen Grund hatten sie zu feiern? »Sind die Franken …«
»… noch am Leben? Ja.«
Sie bemühte sich, gleichgültig zu klingen. »Schön für sie.«
Ein eigentümliches Funkeln lag in seinem Blick. Etwas Wissendes, etwas Triumphierendes und Bedrohliches. Er lauerte, so schien es, er wartete auf eine Frage, auf eine Gelegenheit. »Nevopor hat mich eingeweiht«, sagte er.
Langsam stand Alena auf. »Eingeweiht in was?«
»In die Einzelheiten der Verschwörung, an der du Teil hast.«
Ihr Herz klopfte vom Schlüsselbein bis in die Kehle hinauf. »Was für eine Verschwörung soll das sein?«
»Du kannst vielleicht deinen Vater täuschen oder die anderen Priester. Mich täuschst du nicht, Alena. Ich habe dich als Kind schon nicht leiden können, die ›süße Kleine‹, die immer ihre Wünsche durchgesetzt hat, die ihre Spielkameradinnen anwies, was sie zu tun und zu lassen haben, die ihre Tränen als Drohung eingesetzt hat und ihr Lächeln als Falle. Was deine Gründe sind, weiß ich nicht, aber du wirst scheitern mit deinem Versuch, Nevopor in den Rücken zu fallen. Ich werde es nicht zulassen.«
Alena zitterte am ganzen Körper. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Wenn Uvelan erst einmal redet …«
»Wo ist er?« flüsterte sie.
»In unserer Hand. Wir haben ihn am Tor abgefangen.«
»Wo? Wo habt ihr ihn hingebracht?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich möchte mit meinem Vater sprechen.«
»Der blonde Riese hat geschwatzt.«
Embricho … Das war unmöglich. Alena verzog das Gesicht. Es war, als drehte sich ihr Magen um, wieder und wieder, ein flaues Gefühl, das sie zwang, sich auf das Bett zu setzen. Embricho hatte Uvelan verraten? Sie hatte ihm den Plan erzählt, ohne auch nur einen Wimpernschlag lang daran zu zweifeln, daß er ihn für sich behalten würde, komme, was da wolle. Embricho war nicht durch Folter zu brechen. Wenn der Hüne jemanden verriet, dann geschah es aus Überzeugung. Ein Schwindel ergriff sie, und sie schloß die Augen. »Ich möchte mit meinem Vater sprechen.«
»Das glaube ich gern. Aber er will dich nicht sehen. Es ist aus, Alena. Und vertraue mir, ich werde alles tun, ihn zu einer harten Strafe für dich zu bewegen.«
Schritte.
Ein frischer Windzug von der Tür. Barchans Stimme: »Gib gut acht auf sie. Wenn sie zu fliehen versucht, schrecke nicht davor zurück, die Axt zu gebrauchen.« DasKnirschen von Schuhen auf dem Sand. Dann Stille, nur noch Alenas leichte Atemzüge und die schweren des Wachpostens.
Uvelan mußte denken, sie habe ihn in eine Falle gelockt.
Sie öffnete die Augen, und ihr Blick fiel auf den Webstuhl, die beiden Holzstützen, die an der Wand lehnten, in ihren Astgabeln quer der Tuchbaum liegend. Ein halber Schritt fertig gewebter Wolle hing davon herab, dann folgten die Hunderte von Spannfäden, die durch runde Gewichte aus Ton zu Boden gezogen wurden.
Wie willenlos stand sie auf, trat an den Webstuhl heran. Vom Truhendeckel nahm sie die Spindel herunter, wickelte ein wenig von der grauweißen Wolle ab und zog sie durch die Spannfäden hindurch, dort, wo ein Trennstab jeden zweiten Faden oben hielt.
Wäre es nicht ihre Pflicht gewesen, Uvelan in eine Falle zu locken? Nevopor war immer gut zu ihr gewesen – warum konnte sie nicht einfach eine gehorsame Tochter sein, die sich um ihren Vater sorgte und ihm half, gegen seinen Widersacher die Oberhand zu behalten?
Das hölzerne Webschwert war neben die Truhe gefallen. Alena nahm es auf, führte es zwischen die Fäden und schlug den neuen Wollfaden am Geweberand fest. Dann schob sie den Trennstab nach hinten. Die Spannfäden wechselten ihre Lage.
Der neue Uvelan. Der, dessen Gesicht und Brust sauber schimmerten, dessen Nägel weiß strahlten wie Tauben, dessen Bart und Haare silbern das Gesicht umflossen. Die steingrauen Augen hatten im Hain eine Zufriedenheit ausgestrahlt, die sie bei keinem anderen Menschen je so gesehen hatte.
Zögerlich rollte Alena die Wolle von der Spindel und führte sie den Weg zurück durch die Spannfäden auf die linke Seite.
Uvelans zärtliche Finger an jenem Morgen, ihr Entschluß, sich schlafend zu stellen, der Schmetterlingsgruß …Daß Vater den alten Hainpriester fürchtete, erregte Alena, lockte sie auf seltsame Art zu Uvelan hin, so sehr, daß sie sich geradezu wünschte, er würde ihren Vater besiegen und ihn aller Macht berauben.
War das der Grund, weshalb Frauen ihr Vaterhaus verließen und einen Mann heirateten? Weil er stärker war als der Vater?
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