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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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nach den Schultern des Hünen hinauf und schmiegte sich an ihn.
    Jeden seiner Atemzug spürte sie: Ein Rauschen war es wie vom Wind, und die Brust dehnte sich. Dann sank sie zurück. Der Hüne ließ nicht los, und auch sie hielt ihn fest. Wie in einem Gespräch standen sie aneinandergefügt, flüsterten ihre Atemzüge, pumpten ihre Herzschläge, schluckten und schwiegen. Es gab nichts zu sagen. Jedes Wort bedeutete Trauer und Entfremdung.
    Das Morgenlicht sank in kleinen, rötlichen Flecken durch die Zweige herab. Einer nach dem anderen verstummten die Frösche, und die ersten Vögel zwitscherten ihre Melodie dem Tag entgegen. Lange standen Alena und Embricho, dann, zugleich, lösten sich ihre Hände.
    »Was wirst du tun? Nach Magdeburg zurückkehren?«
    »Zu Heilwich, ja. Wenn es dich nicht kränkt, kannst du …« Er zögerte.
    »Nein, ich bleibe hier.«
    »Du bist …«
    »Du wirst mir sehr fehlen. Ich wäre gern deine Frau geworden.«
    »Ich weiß. Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Du bist eine großartige Frau. Warum willst du nicht fliehen?«
    »Der Kampf ist nicht vorüber; Vater hat noch längst nicht gewonnen.«
    »Es wird Rethra wenig schaden, daß eine der zwei Stuten fehlt. Hätte ich die Tiere getötet, wäre der Schaden größer gewesen. Aber wer könnte solche Anmut zerstören? Ich bin kein Pferdemörder. Und ich will, daß Rethra viel größere Vernichtung erfährt.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Ich wußte, daß du bleiben würdest, um zu kämpfen. Warum sonst hättest du vor der Flucht aus Rethra dein weißes Leinenkleid stehlen wollen.« Er hob die Zügel auf und reichte sie ihr. »Nimm du die Stute. Die Weiße macht dich deinem Vater ebenbürtig. Gott wird dich beschützen.«
    »Ich danke dir von Herzen.«
    Er ergriff ihre Hand. Seine kräftigen Finger strichen über ihre. Obwohl er schwieg, sprach sein Gesicht. Die blauen Zimbelkrautaugen flehten, das Kinn kämpfte Tränen herunter.
    »Dort hinten am Seeufer warten die Linonen«, sagte sie und preßte die Lippen aufeinander. »Euer Gott sei mit dir.«
    Der Hüne wendete sich um, stampfte in den Wald. Dann hielt er noch einmal an, wie um etwas zu sagen.
    Lange stand Alena und sah ihm nach. Als sie sich zum See umwandte, blickte sie in das Gesicht Javors. Neben ihm lehnte ein massiger Fremder mit Stutzbart an einem Baum. Der Obodritenfürst wirkte nicht feindselig: Mit einem merkwürdigen Lächeln auf den Lippen winkte er sie heran. An seinem Gürtel baumelte ein silberverziertes Horn.
     
    Barchan schloß die Tür hinter sich und baute seinen massigen Körper vor dem Tisch auf. Furchen, die bei der Nase begannen, verloren sich im buschigen Oberlippenbart. Der Herr der Tempelgarde verschränkte die Arme.
    Eindringlich sah Nevopor zu Chotebąd hinüber. Donik hätte nicht einmal dieses Blickes bedurft. Er hätte gespürt, daß es an der Zeit war, den Raum zu verlassen.
    Chotebąd blickte zurück.
    Die Augen zusammenkneifend, faltete Nevopor die Stirn.
    »Fehlt etwas, Herr?«
    »Es ist etwas zuviel im Raum.«
    Der junge Mann sah sich suchend um. »Zuviel?«
    »Laß uns allein.«
    Endlich zog Chotebąd den Kopf ein, murmelte: »Es tut mir leid.« Er schlüpfte hinaus.
    »Unfähig«, murmelte Nevopor. Er zog einen Schemel unter dem Tisch hervor und ließ sich darauf nieder. »Nimm Platz, Barchan.«
    Das Holz knackte unter dem Gewicht des Tempelgardisten, aber er verzog keine Miene. Das Talglicht zuckte, als würde es einem Schlag ausweichen.
    »Ich habe schlechte Neuigkeiten. Du wirst das Opfer heute nicht mit ansehen können.«
    Barchans Hand schnellte in die Luft, schloß sich zur Faust. Auf dem Tisch öffnete er sie. Wortlos klaubte er eine zerquetschte Fliege heraus. Er warf sie in die Flamme. Es knisterte, dann stieg ein schwarzer, stinkender Rauchfaden auf. »In Ordnung.«
    »Ich möchte, daß du dich mit dreißig Männern hinter dem Tempel verbirgst. Kein Waffenklirren, kein Spähen um die Ecke. Es ist wichtig, daß ihr unbemerkt bleibt.«
    »Tausende Redarier sind hier. Wer wäre so dumm, uns anzugreifen?«
    »Du tust, wie ich es dir gesagt habe. Wenn ich euch brauche, schicke ich Chotebąd.«
    »Es wäre gut, wenn ich wüßte, worin die Gefahr besteht. Ist es dieser Uvelan? Als er am Seeufer ergriffen wurde, hat er von neuen Verhältnissen gesprochen. Man munkelt, er sei der Hochpriester des verbotenen Gottvaters. Ist das wahr? Ist er dieser Priester? Was meint er damit, wenn er sagt, es werden neue Verhältnisse anbrechen?«
    Nevopor

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