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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Gesicht.
    Ein Tisch aus Stein war der Altar, an dem durstige Geister ihr greuliches Mahl hielten, und Männer in schwarzen Mänteln bedienten sie. Den Vorderen einer langen Schlange von Menschen nahmen sie das Opfertier ab, banden ihm die Beine zusammen und hoben es unter lauten, singenden Rufen über dem Altar in die Höhe: »Svarožić, rette uns! Hilf uns, o Lichtbringer!« Dieselben Lederriemen fesselten Gänsen, Ziegen und Lämmern die Beine; war ein Tier geopfert, zog man sie ihm herunter und zwängte ein neues Beinpaar ein.
    Tausende von Menschen füllten den Kessel, den die weit ausgreifenden Wehrarme der Burg schufen. Sie sahen flehend und grimmig im Wechsel zum Himmel und zum Altar, sangen mit den Priestern, reckten bittend die geöffneten Hände in die Höhe. Verirrte. Verlorengegangene. Sie lehnten sich über die Mauern der Türme, drängten sich auf den Kronen der Wälle, die Gesichter ernst, das Gaffen, Singen und Bitten in tiefer Inbrunst.
    Während Tietgaud die Augen geschlossen hielt, die Stirn in Falten und den Mund in ständiger Bewegung unter dem Knebel, blickte Uvelan hungrig über die Menge. Sie würden ihn anhören, er würde das Opfer sein, das nicht schrie, sondern sprach, und sie würden erkennen und bereuen, was sie hier taten. Sie würden aufwachen!
    Wie das Blut ihren Ekel erregte, würde er sagen, genauso erfüllten sie den wahren Gott mit Abscheu. Er habe die Faust schon erhoben, mit der er sie zerschmettern würde. Meinten sie etwa, ihre Verzweiflung habe einen anderen Grund als den Zorn Svaroghs? Besinnen sollten sie sich! Sich erinnern!
    Ein Priester brüllte: »Das letzte Tier.« Er hielt einen Hund auf den Armen, die Schnauze mit Stricken zugeknotet, die Beine fest aneinandergeknüpft. »Svarožić wird uns erhören!« Mehr warf er ihn in die Blutpfütze auf dem Altar, als daß er ihn legte. Der Hund winselte, pfiff, wand sich. Ein bronzenes Aufblitzen. Ein Messerstoß.
    Das Blut schoß fauchend in die Stille hinein.
    In der Volksmenge senkten sich die Hände. Die Menschen standen still, alles Singen und Flehen verstummte. Niemand schaute mehr zum Himmel; sie alle blickten erwartungsvoll auf den Tempel. Uvelan stutzte. Ohne daß er es bemerkt hatte, war einer der Priester verschwunden. Huftrappen erklang, ein Pferd schnaubte. Nach dem Schreien der sterbenden Tiere erschien dieses Schnauben wie ein zärtliches Zeichen des Lebens.
    Ehrfürchtiges Zischen und Flüstern setzte ein. Zuerst war Nevopor zu sehen. Blut tropfte von seinem Mantelsaum. Der lange graue Bart ruhte ehrfurchtgebietend auf der Brust. Nevopor hielt den Arm leicht erhoben, Zügel in der Hand.
    Dann trat die Schimmelstute hinter den Geisterfiguren des Tempels hervor. Die Morgensonne funkelte in der weißen Mähne. Wölbungen von Adern zeigten sich auf der Brust und an den Beinen des Pferdes, Muskeln spieltendarunter. Ein hautfarbener Fleck auf den dunklen Nüstern verlieh dem Tier ein kluges Aussehen; es hatte ein Gesicht, ein tierisches und doch auf seine Weise intelligentes Antlitz. Es war, als blickten seine großen, schwarzglänzenden Augen über die Menge hinweg weit über das Land.
    Nevopor führte die Stute an den Körpern der Opfertiere vorbei. Sie tänzelte leicht, wich mit den Hufen den Blutströmen aus.
    Die Priester stießen Speere in den Boden, so, daß ihre Enden knöchelhoch über dem Boden wippten und dabei Tore bildeten, drei.
    Nevopor hielt die Stute an. »Höre, Svarožić, Retter«, rief er laut. »Du hast ein Menschenopfer gewünscht, und wir sind dir gehorsam. Wähle! Der rechte Huf sei dein Wort für diesen.« Er wies mit dem freien Arm auf Uvelan. »Der linke sei dein Wort für jenen.« Er zeigte auf Tietgaud. »Laß das Opfer dir wohlgefällig sein. Befreie uns von den Franken, die uns nach dem Leben trachten!«
    Ein kaum sichtbarer Zug am Führstrick, und die Stute ging voran. Ihre Hufe näherten sich dem ersten Tor.
    Uvelan preßte die Zähne aufeinander. Wähle mich, Svarogh, laß sie mich wählen! Du weißt, ich werde deinen Namen groß machen vor diesem Volk. Zeige, daß du stärker bist als der Christengott. Führe die Beine dieses Pferdes!
    Der linke Huf hob sich und trat über die erste Stange.
    Uvelans Arme wanden sich in den Stricken. Er sah prüfend auf den Priester. Schweißtropfen standen auf Nevopors Stirn.
    Das zweite Tor: wieder der linke Huf.
    Niemand flüsterte mehr. Es war ruhig, Tausende Menschen neigten sich in gieriger Stille vorwärts wie Jäger, die sich

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