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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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den Knoten zu lösen.«
    »Nur, wenn du mich mitnimmst.«
    Er zögerte. »Schwöre, daß du vor der Burg wartest und mich nicht an der Durchführung meines Plans hinderst.«
    »Ich schwöre es beim Geist meiner Mutter.«
    »Bedeutet dir dieser Schwur etwas?«
    »Er bedeutet mir viel.«
    »Gut, ich will dir glauben.«
    Sie beugte sich vor, bis ihr Gesicht Embrichos Hände berührte, tastete mit dem Mund über das Seil. Dann biß sie zu, zerrte, ließ los, fühlte nach, zog erneut. Die harten Hanffasern stachen ihr in die Lippen. Sie schmeckte Schweiß von Embrichos Händen und ihr eigenes Blut. Bald schmerzten die Zähne, weil sie mit solcher Kraft an der Fessel riß. Endlich eine Schlaufe. »Laß die Handgelenke zusammen«, preßte sie hervor, »sonst ziehst du den Knoten wieder fest.« Wenig später hatte sie das Seil gelöst.
    »Wo ist der Stall, in dem die weiße Stute steht?«
    »Er liegt hinter dem Tempel. Du wirst Uvelan nicht befreien können«, schob sie nach, »ein eisernes Schloß hält seine Kette.«
    »Die Redarier glauben, Swaroschitch reite mitunter auf der Stute aus? Tietgaud hat mir so etwas erzählt.«
    »Svarožić hat drei Köpfe. Selbst wenn du bis zum Stall kommst, um eine der Stuten zu rauben –«
    »Still jetzt. Denke an deinen Schwur. Du wartest im Wald vor der Burg.«
    »Und was ist mit den Wachen vor der Tür? Wie sollen wir hier herauskommen?«
    »Durch den Rauchabzug im Dach. Wir steigen Brun auf die Schultern. Gott hat mich nicht umsonst so groß gemacht.«

33. Kapitel
     
     
    Was willst du
, flüsterten die Wächterstatuen. Sie sahen nicht ihn an, Nevopor, sondern das Talglicht in der Tonschale, die er trug.
Du störst seine Nachtgedanken!
    »Ich weiß«, murmelte er. »Verzeiht mir. Ich muß mit ihm sprechen, dringend.«
    Es war plötzlich finster, als würden alle Sterne erlöschen. Kalter Wind kam auf. Die Geister umschlichen das Licht, das sie erzürnte, suchten, es auszublasen.
    Wage nicht, in unseren Kreis zu treten, Frevler!
Weit rissen die Wächter die Mäuler auf, geiferten, drohten mit den Zähnen, den gespaltenen Zungen. Sie genossen ihre Wut.
    »Ich bin der Diener des unsterblichen Svarožić. Ihr werdet mich nicht hindern.« Klopfenden Herzens schlich er zwischen den Geistern hindurch. Das Flämmchen in der Tonschale duckte sich. Es begann, wie wild zu flackern. Erschrocken zog Nevopor den Kopf ein.
    Der Stierschädel über der Tempeltür leuchtete auf: urgewaltige, breite Hörner. »Wehre sie ab, Svarožić«, raunte Nevopor. »Laß nicht zu, daß sie deinen Diener bedrohen!«
    Er stolperte auf die Tür zu, drückte sie auf und schloß sie hinter sich, den Rücken dagegenlehnend. Mit gesenkten Lidern stand er da, keuchte. Wendeten sich nun auch schon die Geister gegen ihn? Sie waren gereizt, weil der alte Svarogh-Priester in der Nähe war. Sicher rief er seine Waldgeister an, und sie hetzten ihre Brüder und Schwestern, die Tempelwächter, gegen Nevopor auf.
    Poltern. Er zuckte zusammen. Nur ein Kelch, redete er sich ein, ein Kelch, der ein Stück abgesunken war im Haufen. Zugleich äugte Nevopor in die Tiefe. Das Talglichtkonnte den quadratischen Raum nur dürftig erhellen. Sein Schimmer huschte über die Wände.
    Ehrfürchtig sah er zu den Köpfen Svarožićs hinauf. Der in festliches Purpur gehüllte Gotteskörper überragte ihn um mehrere Spannen. Dort oben, die Gesichter: eines ihm zugewandt, eines zur rechten, und ein anderes zur linken Seite blickend. Weit luden die Schnurrbärte aus, schlugen Bögen wie Katzenbuckel. Die riesigen Augen strahlten golden. Daß sie fortwährend offenstanden ohne ein Zwinkern oder einen Atemzug Ruhe! Irgendwohin schaute er immer. Vielleicht sah er gerade zu Liutberts Heer hinaus, das sich versammelte, um nach den Sorben auch die Redarier zu unterwerfen. »Streite für uns, mächtiger Herr des Feuers!« rief Nevopor.
    Svarožić hielt ein Schwert in den Händen, groß wie ein Baum. Ein einziger Hieb würde einem Dutzend Franken den Kopf vom Hals schlagen, und ihren Pferden zugleich. Der silberne Griff über der Scheide von schwarzem Leder blitzte im Schein der Talglichtflamme.
    »Wirst du für uns in den Kampf ziehen?«
    Der Dreiköpfige stand schweigend. Er schien besonders still in dieser Nacht zu sein. Nicht, daß er sonst mit lauter Stimme gesprochen hatte, aber da war immer eine Präsenz, eine Kraft zu spüren gewesen, ein Antworten allein durch das übermächtige Schweigen. Heute war das Schweigen leer. Leer und kalt.
    Zu den

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