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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Füßen der Gottheit war alles an seinem Platz: der Sattel für die weiße Stute, das Zaumzeug, der goldene, mannshohe Rundschild.
    »Alena ist mir in den Rücken gefallen wie ihre Mutter. Warum läßt du so etwas zu? Ich brauche deine Hilfe! Du mußt verhindern, daß Uvelan das Volk an deinen Vatergott erinnert – der alte Priester muß sterben und mit ihm die Erinnerung an Svarogh. Und der Fluch der Frauen, die ich liebte, muß verlöschen in meinem Leben. Rette mich, Svarožić! Wende dich nicht ab, o Lichtbringer, von deinem Boten!«
    Die riesige Gottheit in der Mitte des Tempels stand still wie ein Stein.
    Verzweifelt blickte Nevopor zu den anderen Götterstatuen rechts und links. Umgeben von unermeßlichen Schätzen – silbernem Treibwerk, goldenen Spiegeln und Schellen, Wikingeräxten, fränkischen Schwertern, Perlen aus rotem Karneol, Ketten aus Bergkristall, rohen Bernsteinklumpen und feinen, byzantinischen Goldmünzen, Gürtelschnallen, Riemenzungen und Fibeln, prachtvollen Spangen, Anhängern und Amuletten aus Gold und Silber, Kästchen, Armreifen, Seidentüchern, Trinkhörnern, an denen Edelsteine funkelten, vergoldeten Signalhörnern, prunkvoll verzierten Gefäßen – standen sich dort Cernoboh, der schwarze Gott, und Belboh, der weiße Gott, gegenüber. Schwarzes, dunkles Holz. Weißes, helles Holz. Götter, die die Statuen beseelten. Hinter ihnen verzierten Schnitzereien die Tempelwand: Menschen, Vögel und Tiere, farbig angemalt und so echt, daß es eine lebendige Welt war, ein eigenes Götterreich, in dem die Herrscher wohnten.
    »Was ist mit dieser Nacht? Warum schweigt der Feuergott?«
    Es schien Nevopor, als würden Cernoboh und Belboh lachen, als würden sie sich zuzwinkern.
    »Seht euch die Reichtümer an, die Kriegsbeute, die wir euch gesammelt haben. Wollt ihr all das dem Untergang preisgeben?«
    An den Wänden wisperten die kleineren Statuen, die Götter der anderen Stämme: Triglav, der Dreiköpfige; dickbrüstig Podaga, die Göttin der Wagrier. Siva, die polabische Göttin der Lebenskraft. Rugievit, der siebenköpfige Herr der Ranen. Sie erregten sich über Nevopors Tonfall, sicherlich.
    Hastig verneigte er sich, fiel dann zur Sicherheit doch lieber auf die Knie nieder. »Verzeiht mir. Es ist nur: Ich bin in großer Sorge!«
    Neben den Göttern ruhten die Feldzeichen der Stämme: heilige Schwerter und Äxte mit Silbertreibwerk an denGriffen und auf den Klingen, Schilde, Fahnen. Würden die Völker den Vorstoß der Franken abwehren?
    Er wendete sich wieder Svarožić zu. »Bitte, verlaß mich nicht.« Fürchtete Svarožić seinen starken Vater, Svarogh? War er fortgegangen, um mit ihm zu kämpfen? Nevopor richtete den Blick auf die gewaltige Statue. Das Holz war stumm. Es war auf fremdartige Weise verändert. Es gab nur einen Begriff für den Eindruck, den es auf Nevopor machte, und so sehr er sich auch wand, er mußte es sich letztlich eingestehen: Svarožićs Götterbild wirkte tot. Es war Nevopor, als würde bei dieser Feststellung sein eigener Körper beginnen, zu erkalten und abzusterben.
     
    Zwei Schimmelstuten und nur einmal Zaumzeug. Welches war das richtige Pferd? Die Eisenketten am Ende des Stalls hingen leer herab. Wo war Uvelan?
    Eine Stute hob den Hals über die Tür ihres Stands und sah Embricho entgegen. Deutlich war der hautfarbene Fleck auf den dunklen Nüstern zu erkennen. Die Muskeln unter dem weißen Fell zuckten. Er hatte bereits einen schlechten Eindruck auf sie gemacht, sie roch seine Unsicherheit.
    Stehenbleiben. Die Arme herabsinken lassen, ruhig atmen. Lächeln. »Du bist schön«, sagte er. Ging langsam auf das Pferd zu.
    Es reckte den Kopf und wich zurück.
    Verharren. »Sicher wirst du selten von Fremden besucht.« Er wartete.
    Die Nüstern der Stute blähten sich.
    Wittern wollte sie ihn; Neugierde war ein gutes Zeichen. Embricho hielt ihr die Hand hin. Der Atem des Tiers blies warm über seine Finger. »Läßt du dich von mir aufzäumen? Dann machen wir einen Spaziergang zusammen.« Zwischen den Ständen hing das Zaumzeug an einem Nagel: mit Bernsteinen besetztes, silberbeschlagenes Leder. War sie bereit, aufgezäumt zu werden? In einer langsamen Bewegung nahmer das Lederzeug herunter. »Ich komme zu dir in den Verschlag. Bist du einverstanden damit?«
    Die Stute schnaubte, drehte die Ohren. Ein prüfender Blick aus den schwarzen Kugelaugen.
    Ohne sich von ihr abzuwenden, hob Embricho den Haken und öffnete die Tür um einen Spalt. »Du wirst mich nicht

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