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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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hinüber.«
    »Warum will Vater mich sehen?« fragte sie.
    »Eine Gesandtschaft Horiks ist da.«
    Verständnislos zog sie die Oberlippe hoch.
    »Horik. Der dänische König. Jetzt lauf!«
    Auf dem Weg zu Vaters Haus, dem, über dessen EingangStierhörner hingen, wünschte sie sich, daß sie stolpern würde, im Dreck landen und sich blutige Knie schlagen würde. So etwas geschah nie, wenn man es gerade brauchte.
    Zögerlich trat sie ein. Der Boden war mit frischem weißem Sand ausgestreut, der unter ihren Füßen knirschte, und die Wandbehänge leuchteten von allen Seiten, als hätten sie ihre gute Bekanntschaft mit dem Staub für immer aufgekündigt und sich statt dessen mit der Sonne angefreundet.
    Männer saßen auf den Bänken entlang der Wand und blickten ihr entgegen. Ein Raunen ging durch den Raum.
»Seiðr«,
sagte einer der Männer. »Diese Schönheit, das ist Magie!« Als wäre das noch nicht Folter genug, streckte der Vater den Arm nach ihr aus und zog sie nahe heran. Er flüsterte: »Lächle ein wenig, meine Kleine, tust du das für mich?« Dann schob er sie wieder in die Mitte des Raumes.
    Sie tat, wie er ihr geheißen hatte. Einige Männer lachten.
    »Entbietest du dem Goden einen Gruß?«
    Ihr brannten die Ohren. »Was ist das, ein Gode?«
    Jetzt lachten
alle
Männer.
    »Ein großer Priesterfürst.« Mehr sagte der Vater nicht. Es war eine Aufgabe. Sie sollte selbst herausfinden, wer der Gode war.
    Während sie sich langsam in der Mitte des Raumes drehte, wobei sie mit den Augen die Männer abflog, um den richtigen zu finden, kam sie sich vor wie ein Spielzeug. Die Männer gafften sie an, bewundernd, abschätzend, schamlos. Sie war ein Gegenstand in fremder Gewalt, und sie spürte das. Man erwartete etwas von ihr. Sie konnte nicht sagen, was es war, wußte nur, daß sie es auf keinen Fall hergeben wollte, und daß sie nicht die richtige war, nicht die, für die sie die Männer hielten. »Laßt mich in Frieden«, wollte sie rufen.
    Wie verabscheute sie das Stillhalten, das Beobachtetwerden, das Puppesein! Sie fühlte sich nackt, wie sie da in der Mitte des Raumes von allen Seiten mit Blicken abgetastetwurde. Sie wollte nicht stillhalten, sondern weglaufen. »Was für eine hübsche Tochter«, sagten die Männer, genauso, wie sie sagen würden: »Eine gute Axt, die du da hast.« Dabei lebte sie doch.
    Eben weil sie machtlos war, ausgeliefert, sehnte sie das Gegenteil herbei. Sie wollte Macht über die Männer haben.
Sie
sollten die Spielzeuge sein. Alena wollte nicht stillhalten, willig sein, brav. Am liebsten wollte sie, daß sich die Männer vor ihr fürchteten.
    Sie schaute einen eine Winzigkeit länger an als die anderen, zwinkerte einmal kurz, wie zum Gruß, und zog lächelnd die Mundwinkel nach unten. Der Däne schluckte. Er errötete und schlug den Blick zu Boden. Wenn auch nur für diesen Augenblick: Sie hatte ihn in der Hand. Sie, das Kind, beherrschte einen erwachsenen Mann.
    Natürlich entdeckte sie den Goden. Die Männer sahen sich ähnlich, trugen alle schulterlange Haare und einen Bart, aber nur der Gode hatte einen mit Pelz besetzten Mantel. Auf dem Leinenhemd, das darunter hervorschaute, schillerten Seidenstickereien. Er trug um den Hals eine Kette großer, kantiger Bernsteine.
    Sie hätte auf ihn zutreten können, sich folgsam verneigen. Doch auch er sollte sie nicht besitzen. Sie beschloß, ihn zu erniedrigen, und wenn es nur einige Atemzüge lang währte.
    »Wie heißt du?« fragte sie. Unschuldig sah sie ihn an. Alles, was an Kindlichkeit in ihr war, setzte sie in diesen Blick.
    »Ich bin Hallormr.« Er lächelte.
    »Du bist der Gode!« sagte sie, als würde sie es ihm befehlen. »Warum bist du hier?«
    »Wir haben Svarožić eine Opfergabe dargebracht.«
    »Habt ihr keine eigenen Götter?«
    »Doch, natürlich. Er … Der Dreiköpfige ist … Auch er verdient unsere Ehrerbietung. Gerade er. Ich meine …«
    »So?« Es war still. Weiter durfte sie es nicht treiben, das spürte sie. Sie verneigte sich vor ihm. »Ich grüße dich.«
    Nun endlich durften sie lachen, die Männer, über die sie gebot.
    »Was für ein kluges Kind!«
    »Schönheit und Geisteskraft!«
    Sie drehte sich zum Vater um, in der Hoffnung, er würde es ihr erlauben, sich zu entfernen. Aber er sah sie nicht an, schaute statt dessen von einem der Gesandten zum anderen. Erregt ließ er den langen Bart immer wieder zwischen Daumen und angewinkeltem Zeigefinger hindurchgleiten. Er lächelte, es sah aus wie eine Mischung aus

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