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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Spott und Stolz. Dann endlich traf sie sein Blick, und er deutete mit einer Kopfbewegung zur Tür.
     
    Alles war besser, als stillzuhalten in einer solchen Lage. Wenn sie sich nicht über die Männer erhob, dann starrten sie sie nieder, bis sie kaum mehr war als ein schüchtern lächelnder Wandteppich.
    Auch bei den Franken würde sie selbst handeln, anstatt mit sich handeln zu lassen. Sie mußte mit ihnen spielen, um nicht ihr Spielzeug zu sein. Und sie würde sie nach Rethra führen, in den verdienten Tod.
    Alena öffnete die Augen. Sie sah zu Brun hinüber, dem Krieger, den der Marder bestellt hatte, sie während ihrer Wäsche zu bewachen. Mit verschränkten Armen stand er da, blickte gleichgültig, tat, als tagträume er. Ab und an spuckte er auf den Boden. Es würde das beste sein, wenn sie ihn einfach nicht beachtete.
    Sie löste sich vom Baumstamm, ging zum Bach hinüber und kniete sich ans Ufer. Dreimal holte sie Luft, dann beugte sie sich vor und hängte ihren Kopf in das Wasser. Rasch fand die Kälte ihren Weg durch die Haare zur Kopfhaut. Es war ein dumpfer, aufpeitschender Schmerz, ein Vergnügen und eine Qual zugleich. Prustend tauchte Alena auf, hielt den Kopf zur Seite, um sich das Wasser aus den Haaren zu wringen. Sie setzte sich den Kamm an den Scheitel, zog ihn mit Kraft durch die wirren, verklebtenHaare. Der Gedanke, daß sie sich allmählich in eine ansehnliche Frau zurückverwandelte, gab ihr das Gefühl von Stärke, und sie mußte an Krieger denken, die sich zum Kampf rüsteten, die die Axt in ihren Händen wogen, mit dem Daumen die Schärfe der Klinge prüften. Vielleicht war die Schönheit, ihre Waffe, ungewöhnlich, aber sie war wirksam, daran gab es keinen Zweifel. Männer mochten lange, gewellte Haare, wie sie Alena trug, dunkel im Ansatz und zur Spitze hin mit goldenem Schimmer behaftet. Männer mochten ihre honigbraunen Augen. Hatte nicht Jarichs Sohn sich kaum satt sehen können an ihren weichen Nasenflügeln, an der leicht vorstehenden Oberlippe und dem zarten Kinn? Es hatte sie einen heimlichen Kuß im Wald gekostet, ihm dieses Geheimnis zu entlocken.
    Sie zog sich bis auf Hemd und Unterkleid aus, grub im Kammbeutelchen nach der Knochennadel und dem Wollfaden, schob den Faden durch das Öhr und nähte mit wechselseitigen Stichen den Riß im Kleid zusammen. Es war aus kupfern gefärbter Wolle gefertigt, die Art, die in den ersten Wochen, nachdem sie frisch gefärbt war, nach Distelblüten roch. Das Weiß des Fadens stach hell auf dem rotbraunen Kleid heraus.
    Alena zog sich wieder an, schob sich das Schläfenband gerade so ins Haar, daß die weichen, trocknenden Haaransätze über der Stirn gut zu sehen waren. Sie wandte sich zum Lager. Die am Band befestigten Ringe klingelten neben ihren Wangen.
    Als Platz für die Nacht war eine Mulde in der Nähe des Baches ausersehen worden, eine nahezu runde Senke, in der außer vier jungen Birken und einigem halbhohen Gesträuch keine Bäume wuchsen. Der Boden der Mulde war von Moos und trockenem Laub bedeckt, Eichen und Hainbuchen breiteten ihre Kronen darüber aus und boten Schutz vor Regen und Wind.
    Sie mußte den Haß tief in sich verbergen. Nichts davon durfte in ihrem Gesicht zu sehen sein, nichts in ihrem Lachen,nichts in ihrem Blick. Die Haare so naß, daß sie auf dem Rücken längst das Kleid durchtränkt hatten, ging sie zu Embricho hinüber. Er war mit drei anderen dabei, eine Plane aus zusammengenähten Tierhäuten zwischen die dünnen Stämme der Birken zu spannen. Sie beobachtete seine Hände, wie sie die Riemen um einen Stamm zogen, wie sie einen Knoten banden.
    Zärtlich legte sie ihre Fingerspitzen an den Baum und folgte der weißen Zeichnung der Rinde. Embricho sah das genau, da war sie sicher. Auch wenn er nicht aufschaute. Er zurrte mit Kraft seine Knoten fest.
    Wie würde eine Slawin seinen Namen aussprechen, fragte sie sich, eine Slawin, die noch nie ein Wort Fränkisch gehört hatte? »Em-bri-kcho.«
    Jetzt fuhr er zusammen, blickte sie erschrocken an.
    Sie sagte es noch einmal, weich, leise: »Em-bri-kcho.« Und lächelte.
    Seine blauen Zimbelkrautaugen strahlten zurück.
    »Laß dich nicht behexen«, rief einer der Männer lachend. Rede du nur, dachte sie. Dann sah sie Bruns Blick.
    Es war nicht Brun gewesen, der gesprochen hatte. Brun sagte sehr selten etwas. Aber seine Augen, diese in krötenartigen Hautlappen verborgenen, die Welt in endloser Ruhe betrachtenden Augen – sie sprachen Mißbilligung. Es schien, als

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