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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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behaupten wußte. Neben diesem Größeren war es unmöglich zu bestehen. Seine Gegenwart wuchs, wurde stärker und größer und gewaltiger, bis sie alles erfüllte, bis sie den Kleineren erdrückte. Mit aller Kraft preßte er die Hände auf die Ohren.
    Langsam wurden die Stimmen leiser, hörten ganz auf. Uvelan. Der Name hatte begonnen, nach Mensch zu schmecken.
    »Die Pilze sind dort unter der Bank, neben dem Ofen. Ein paar habe ich noch getrocknet, ehe ich krank wurde.Riechen ein wenig bitter, aber sie haben dir immer geholfen.«
    Er bückte sich, zog einen Topf mit kleinen braunen Krümeln hervor. Der Geruch umfaßte seinen Verstand, beglückte ihn, schien in die Augen einzufahren, in die Ohren, in die Nase und in die Finger. Er nahm einige Krümel heraus. Lachen erscholl wie aus tausend Kinderkehlen, er fühlte sich plötzlich, als sei er heimgekehrt in ein großes, warmes, lebendiges Haus. Das Haus lebte, hatte Beine, runzelige Hühnerbeine. Sechs, acht, zwölf. Die Türen öffneten sich und schlugen zu, immer mehr Türen, wie Flügel schlugen sie, und die Beine hüpften, es wollte fliegen, das Haus, fliegen.
    »Uvelan!« rief er plötzlich, sprang auf, stieß den Topf um.
    »Nein!« schrie er, immer wieder, draußen, während er durch das Dorf rannte, »Nein!«, und wieder: »Nein!«
    Erst unter den Bäumen tief im Wald, den großen, freundlichen, fand er allmählich zur Ruhe.
    »Uvelan. Ich.«

4. Kapitel
     
     
    In braunen Wolken trieb der Schmutz bachabwärts. Er wirbelte durch das Wasser, blähte sich auf und sank dabei zum Grund, wurde wieder emporgesogen, gedreht, gestrudelt. Die Hände ins kalte Naß getaucht, rieb Alena über ihre Beine. Das Gesicht, das sie sich auch gewaschen hatte, tropfte noch. Der Wind zog einen kühlenden Schleier über ihre Haut. Friedliche Glockentöne plätscherten die Wellen, verwandelten den Bach in ein Lied der Ruhe. Sie stand im Wasser, bis sie die vor Kälte betäubten Beine kaum noch fühlte.
    Wieder am Ufer, zog sie ihren Kamm aus einem kleinen Beutel am Gürtel. Sie fuhr mit den Fingern über die feinen Muster, die in den Geweihknochen eingeritzt waren, hob den Kamm zur Wange und strich leicht darüber. Ein Dutzend feiner Finger ritzte sie. Was hatte sie diesen Kamm in ihrer Kindheit gehaßt, und wie teuer war er ihr jetzt, wo sie nicht wußte, ob sie Rethra je wiedersehen würde.
    Sie lehnte sich an einen Baum, schloß die Augen. Ein strahlender Sommertag, sie hockte auf dem Lehmboden, Catalin, ihre Strohpuppe zwischen den Knien.
     
    »Catalin«, sagte sie, »du kannst ja laufen!«, und bewegte die knisternden Puppenbeine vorwärts. Plötzlich packten sie Hände von hinten, Riesenhände, ganz als wäre sie die Strohpuppe, die laufen lernen sollte, und schleppten sie ins Haus. Sie strampelte, schrie, versuchte, sich aus dem Griff zu winden. Prebilas Hände blieben eisern.
    »Dein Vater will dich sehen«, dröhnte die Riesin. Sie riß ihr die warmen, weichen Kleider vom Leib, tunkte einenLumpenfetzen in eiskaltes Wasser und schlug ihn ihr ins Gesicht. Während Alena frierend dastand und sich mit den Handflächen über die Arme rieb, wurde sie hastig gewaschen.
    Sie steckte im besten Leinenkleid, ehe sie dreimal gesagt hatte: »Mir ist kalt.« Der harte Stoff wollte nicht recht wärmen. Prebila legte ihr einen Schmuckgürtel um und zog ihn so straff, daß sie wie ein Fisch den Mund auf und zu klappte. Schuhe wurden ihr über die Füße gezwungen, dann stachen die Zähne des Kamms in ihre Kopfhaut, er wurde durch das Haar gezerrt, eilig.
    »Au!« rief sie. »Bitte, die Seite, wo die Zähne größere Lücken haben!«
    »Du sollst fein aussehen.«
    Die Haare verknoteten sich. Einen langen Moment steckte der Kamm fest, der Kopf wurde ihr nach hinten gerissen, bis die Haare endlich nachgaben.
    »Wo hast du dein Schläfenband?« schimpfte die Riesin. Bis es gefunden war, mußte sie schuldbewußt den Kopf gesenkt halten.
    Aus einer kleinen Dose wurden mit kräftigem Fingerschlag Batzen von Schminke gefischt und ihr über das Gesicht geschmiert. Es roch nach fauligen Blumen. Wie eine Speckschwarte in der Sonne sah sie jetzt aus, dachte sie. Mit der Pinzette rupfte Prebila Haare über den Augen aus, bis ihr die Brauen brannten, als hätte die Riesin sie angezündet. Sie wollte darüberwischen, wollte das Feuer löschen.
    »Halt still.«
    Farbe wurde ihr über die Augenlider gemalt.
    Sie wurde an der Hüfte gepackt, gedreht, noch einmal gedreht. »Gut. Jetzt lauf schnell

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