Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
blickten ihn an. Mit lautem Bellen jagten drei Hunde auf ihn zu, noch bevor er die Häuser erreicht hatte. Lange Beine hatten sie und dürre, sehnige Körper. Sie zeigten ihm ihre Fangzähne, duckten die Köpfe zum Sprung. Als er nicht stehenbleiben wollte, kamen sie knurrend näher. Sie stellten sich ihm in den Weg.
    »Vor euch fürchte ich mich nicht«, sagte er laut und winkelte doch die zitternden Arme an, nicht fähig, einen einzigen Schritt zu den Hunden hin zu machen. Eine Weile bellten sie, dann wurden sie still und hängten ihre Schnauzen an seine Hände, in seine Kniekehlen, zwischen die Beine. Als sie Witterung aufgenommen hatten, streunten sie fort, als warteten wichtigere Geschäfte auf sie.
    Er schlich weiter. Da waren die Häuser. Hölzerne Wände, die Fenster mit dünnen Kalbshäuten bespannt. Neben den Wohnhäusern gab es kleine Vorratshütten aus Flechtwerk. Beinahe einen halben Schritt hoch schwebten sie in der Luft, nur von Säulen aufgeschichteter Steine gehalten. Zum Schutz vor Mäusen. Er mußte lächeln. Sie konnten die rundgeschliffenen Steine nicht hinauf. Er war ein Mensch, er wußte so etwas. Mäuse waren Tiere, er war ein Mensch.
    Er schaute sich die steilen, strohgedeckten Dächer an. Warum rutschte das Stroh nicht herunter, wenn es so schräg lag? Der Rauch, der aus der dreieckigen Öffnung hoch über der Backhaustür sickerte und in den Himmel entschwebte, wie leicht war er; wie angenehm roch es nach Wärme und Obdach und frischem Brot!
    Eine Frau schrie: »Der Besessene! Der Besessene ist im Dorf!«
    Er schämte sich, versuchte, die fürchterlichen Hände hinter dem Rücken zu verbergen.
    Ein Mann trat auf ihn zu. »Du hast hier nichts zu suchen. Was willst du?«
    Er schwieg.
    »Die alte Drahomira«, sagte eine Frau mit Grabesstimme. »Sie hätte ihn nicht dauernd im Wald besuchen dürfen. Jetzt kommt er, sie zu sich zu holen.«
    »Soll er doch.«
    »Hör auf, sag so etwas nicht! Willst du, daß sie dein Haus verflucht?«
    »Wenn sie das kann, warum heilt sie dann nicht ihre eigene Krankheit?« Der Mann zeigte auf eins der Häuser. »Dort wohnt sie. Hol sie dir, und dann verschwinde. Du bringst böse Luft mit dir. Rühr keine Kinder an.«
    Alles starrte auf ihn. Schließlich setzte er sich in Bewegung, ging vorbei an den Männern und Frauen und Kindern. Sie wichen zurück, entfernten sich auf mehrere Armeslängen von ihm. Er trat in das angewiesene Haus und schloß die Tür hinter sich.
    Warm war es innen, sehr warm. Auf Haken steckten irdene Krüge und Töpfe. Die Bänke rings der Hauswand waren leer bis auf eine. Dort lag, auf Felle und Decken gebettet, eine Frau. Weißes Haar umrahmte wie Spinnweben ihr Gesicht. Die Haut glich den Kalbshäuten in den Fenstern, und wie die Kalbshäute gedämpftes Licht in den Raum hineinließen, so erlaubte die Haut dem Licht, auf die bleichen Knochen zu scheinen. Die Frau hielt die Augen weit geöffnet. »Du? Kommst du mich besuchen?«
    »Wer bin ich?«
    »Es geht dir doch gut, Söhnchen?« Sie schöpfte rasselnd Atem. »Ich konnte dir dein Mittel nicht mehr bringen, bin selbst krank geworden. Aber du lebst und sprichst sogar! Es scheint jetzt auch ohne zu gehen.«
    »Wer bin ich?«
    »Hab dich immer gut versorgt, seit damals. Schau, duwirst gesund, nach so langer Zeit. Ich werde sterben, aber du wirst gesund. Ist gut so.«
    »Du bist Drahomira. Wer bin ich?«
    »Mein Name aus deinem Mund. Daß ich das einmal hören kann! Sprichst gut.«
    »Habe ich einen Namen?«
    »Du? Einen Namen?« Der Kopf der Alten bebte plötzlich, ihre weißen Ginsterhaare zitterten. Keuchend holte sie Luft und grollte von unten herauf: »Uvelan.«
    Uvelan. Wie fremd ihm das vorkam! Der Name schmeckte nach Rauch, nach Eisen. Uvelan. Uvelan. War er das?
    »Wie lange?« fragte er. »Kennst du mich lange?«
    »Sehr lange.«
    Dann mußte das stimmen. Dann war er Uvelan. Aber sollte der eigene Name nicht vertraut klingen? Da war plötzlich eine Stimme, seltsam hallend, wie von fern.
    »Uvelan, weg von der Feuerstelle! Du wirst dich verbrennen. Hörst du, Uvelan!«
    Er drehte sich um. Niemand dort.
    Nur mehr Stimmen. »Ich dachte, du könntest mir vielleicht helfen, Uvelan.« »Wenn du mitkommst, Uvelan, dann spreche ich mit ihr. Heute.«
    Immer neue Stimmen hörte er, und er hielt sich die Ohren zu, weil es zuviel wurde. Er fühlte sich klein, herumgescheucht, nirgendwo richtig, nirgendwo geduldet. Da war ein Größerer, der ihn unterdrückte, einer, der seinen Platz zu

Weitere Kostenlose Bücher