Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
Hände. Das Eisenhemd rasselte im Einklang mit dem Hufschlag. Silbern glänzte es, und golden die Mähne, die ihm um das Haupt flog. Er reckte das Gesicht wieder auf, öffnete die schmalen Lippen für einen Ruf: »Tietgaud, ich lasse mich ein wenig zurückfallen; will sehen, ob der Wallach Steine in den Hufen hat. Ich schließe dann wieder auf.«
Der Marder hob, als Zeichen, daß er verstanden hatte, die Faust.
Embricho zog nur leicht an den Zügeln, und der Fuchs drosselte die Geschwindigkeit. Bald stand er ganz. In die Staubwolke hinein, die die Reiter aufgewirbelt hatten, sprang der Hüne vom Sattel herab. Er trat nach vorn zum Kopf des Wallachs, tätschelte ihm freundlich den Hals. »Sicher freust du dich, daß du wieder ein wenig Bewegung kriegst.« Es sei doch eine ganz andere Gegend als die Elbwiesen bei Magdeburg, ungewohnt dichter Wald.
Der Wallach schnaubte.
Ob es ihm Angst mache? Ihm, Embricho, mache dies alles hier Angst. Der Anführer sei ein Dummkopf, der des Lebens müde sei. Er sehe nur die Belohnung im Himmelreich.
Der Hüne nestelte am Gürtel, zog einen kleinen Leinenbeutel heraus und roch daran. Verschwörerisch sah er zum Himmel, preßte das Beutelchen an sein Gesicht und bewegte tonlos die Lippen. Er nahm einen tiefen Atemzug, verstaute den Beutel wieder. Menschen gäbe es, die hätten noch Pläne auf dieser Erde, die sie gern ausführen würden. Das vergäße der Mönch.
Er lachte plötzlich, schlug dem Fuchs die Faust in die Flanke. »Kannst du dich noch erinnern an diesen jungen, hochgeschossenen Stallknecht, der es kaum gewagt hat, deinen Hufen nahe zu kommen, geschweige denn sie anzuheben und auszukratzen?« Einen veilchenblauen Hufabdruck ins Gesicht habe er ihm damals verpaßt, und vom Kastellan habe es kein Mitleid gegeben, nur eine Belehrung darüber, wie man Pferden gegenüberzutreten habe.
Embricho umschloß den linken Hinterlauf mit fester Hand. Gehorsam hob der Wallach das Bein und zeigte den Huf.
Der Abend dämmerte bereits, als der Hüne die Reiter endlich einholte. Er kam Alena wie ausgewechselt vor; scherzte mit dem Fährtenleser, schnitt ihr, der Gefangenen, Grimassen, um sie für ihr erstauntes Gesicht auszulachen, und achtete wenig auf die mahnenden Worte des Marders. Erst als sie im letzten Tageslicht auf einen zweiten Weg stießen, der ihren kreuzte, kehrten der Ernst und die Sorge in seinen Blick zurück.
Kein Zweifel, im Nordwesten mußte diese Straße nach Wagrien führen, während sie sie in der anderen Richtung in das Gebiet der Redarier, in die Heimat brachte. Hier war Alena mit Mstislav und den Kriegern vor wenigen Tagen in den Wald abgebogen.
Tietgaud sah Alena von seinem schwarzen Pferd aus ruhig an. »Sie soll uns noch dieses eine Mal den Weg zeigen, dann bringen wir sie vor den ewigen Richter.«
Morhard, der hinter ihr saß, packte ihr Genick: »In welche Richtung?«
Alena fröstelte. Mit Kraft preßte sie die Hände auf ihre zitternden Beine, um sie ruhig zu halten. Sie zog die Schultern zu den Ohren, als könnte sie so dem Griff Morhards entgehen. Unentschlossen neigte sie den Kopf hin und her.
Hinter ihr fuhr eine Klinge aus der Scheide. »Na los, sprich!«
Irgendwie mußte sie Zeit gewinnen. Atemnot plagte sie, ein eiserner Ring zwängte ihre Brust enger und enger zusammen. Sie legte die Hand wie ein Dach an die Stirn, als spähte sie angestrengt in die Ferne, dann deutete sie auf eine Traubeneiche am Straßenrand.
»Was?« fauchte der Marder.
»Sie will da raufklettern«, sagte Embricho. »Muß sich wohl vergewissern, wo wir sind und wo es langgeht. Wennwir doch nicht so nah dran sind, sollten wir die Wendin dann nicht besser am Leben lassen? Ohne ihre Führung finden wir Rethra nie.«
»Das wundert mich nicht, daß Ihr sie verteidigt.«
Embricho preßte die Lippen aufeinander.
»Meinetwegen, soll sie hochklettern. Vielleicht erledigt es sich von selbst, wenn sie da oben den Halt verliert.«
Alena wartete ein Nicken in ihre Richtung ab, wartete, daß sich Morhards Hand aus dem Genick löste, dann ließ sie sich am Hals des Pferdes herunter und ging zum Baum. Mit jedem Schritt fürchtete sie, die Knie könnten nachgeben. Sie lief wie auf glitschigen Steinen. Am Stamm der Traubeneiche sagte sie sich, daß sie jeder Ast weiter von ihnen wegbringen würde. Das gab ihr Kraft.
Klettern konnte sie. Darin hatte sie in ihrer Kindheit manchem Jungen etwas vorgemacht. »Geht ihr nur Beeren suchen«, hatte sie oft gesagt. »Ich halte derweil von
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