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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Hüne schrak auf, blinzelte. Kaum auf den Beinen, war er schon an Ebo herangetreten, kniete nieder, hielt seine Schultern, schüttelte ihn.
    Das ganze Lager erhob sich. Wie Wespen um einen Honigkuchen drängten sie sich um Ebo. Man deutete auf Alena.
    »Sie hat den bösen Blick!«
    »Das ist durch ihr magisches Lied gekommen!«
    »Siehst du nicht das Blut? Das ganze Hemd ist blutgetränkt.«
    »Das verborgene Volk teilt mir mit –«
    »Schweig still!«
    »– daß jemand hier war und ihn getötet hat. Ein Einzelner.«
    Dazwischen die Stimme des Mönchs: »
Aequo animo este
, meine Freunde,
aequo animo este.
Ihr solltet Beständigkeit üben. Der Krieg gegen das Böse hat begonnen.«
    Der Hüne erhob sich. Er überragte alle um eine Kopfeslänge. Als er sprach, wurden die anderen ruhig. »Sie sind in der Unterzahl, und deshalb wagen sie keinen Angriff. Jede Nacht werden sie einen von uns töten, wenn sie können. Sie werden uns keinen Schlaf gönnen, bis sie sich stark genug fühlen, den Rest im offenen Kampf zu erledigen.«
    »Wir lassen uns nicht zermürben!«
    »Hinter ihnen her! Wir müssen sie stellen.«
    »Ja«, murmelte der Hüne. »Wir müssen sie stellen.« Da war kein Tatendrang in seinen Worten, nur Müdigkeit und Trauer.
    »Was schlagt Ihr vor?« Der Mönch war sichtlich erregt, er ließ bei geschlossenen Lippen den Unterkiefer kreisen wie ein wiederkäuender Hirsch und fingerte am Silberkreuz herum. »Audulf folgt ihrer Fährte, und wir folgen ihm?«
    »Sie werden uns beobachten. Irgendwo haben sie wenigstens einen Späher versteckt, während sie ihr Lager für den Tag weit zurückgezogen haben, um in der Nacht wieder vorzustoßen. Wenn wir den Späher lebendig fangen, könnte er uns zum Lager führen.«
    »Sehr gut, sehr gut.«
    Alena fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, preßte sie aufeinander. Wie konnte sie ihn aufhalten? »Em-bri-kcho.«
    Die Männer verstummten, blickten in ihre Richtung.
    »Sie will etwas.«
    »Schaut ihr nicht in die Augen, Embricho, denkt an den bösen Blick!«
    Embricho löste sich aus der Gruppe, kam auf sie zu. Das Hemd stand weit offen über seiner Brust: Wenige, helleHaare kräuselten sich dort. Er sah fremd aus ohne Kettenhemd.
    »Was willst du?«
    »Zeigen«, sagte sie.
    Der Hüne fuhr zurück, als hätte ihm Cernoboh, der schwarze Gott, in die Augen geblickt. Eine ganze Zeit sagte er nichts, dann wisperte er: »Ihr sprecht … Fränkisch?«
    »Schhhh«, machte sie. Sie senkte ein wenig die Stirn und bemühte sich um einen glühenden Blick, so, wie sie es manchmal im Spiegelbild einer klaren Pfütze geübt hatte. Wie die Reisekaufleute Gewichte in ihre Waage warfen, um die Schalen zu bewegen, so warf sie den Blick in Embrichos Geist, der eine Entscheidung fällen würde. Es galt, den Hünen von hier fortzulocken.
    »Ich glaube, die Wendin will mir etwas zeigen«, sagte Embricho laut. Er zückte einen Dolch und trat hinter den Baum, um die Fessel zu zerschneiden.
    Die Männer starrten schweigend.
    »Wartet hier.«
    Er legte ihr die Hand auf die Schulter und schob sie aus dem Lager. Warm und schwer lagen die Finger neben ihrem Hals.
    »Seht Euch vor!« rief der Mönch ihnen nach. »Ihr dürft ihr nicht trauen.«
    »Inzwischen glaube ich das auch«, murmelte Embricho.
    Es ärgerte sie. Nicht nur, weil es ihre Aufgabe erschwerte, wenn er ihr mißtraute.
    Als sie außer Hörweite gekommen waren, blieb Embricho stehen. »Jetzt könnt Ihr mir erklären, was hier vorgeht.«
    Sie heftete ihren Blick auf den Waldboden.
    »Ihr habt eben Fränkisch gesprochen. Das war doch kein Zufall. Ihr habt wirklich ein fränkisches Wort gesagt.«
    Drei Ameisen, rotbraune, schleppten eine tote Spinne mit sich.
    »Alena – wenn Ihr überhaupt so heißt –, Ihr habt uns betrogen.«
    Oder lebte sie doch noch, die Spinne? Nein, sie war tot.
    Jetzt packte sie der Hüne bei den Schultern, hob sie ein Stück in die Luft und drückte sie gegen einen Stamm. »Hört gut zu. Ich lasse nicht mit mir spielen! Entweder Ihr habt eine gute Erklärung, oder ich beende auf der Stelle Euer lügenhaftes Leben.«
    Eine Versuchung umschmeichelte Alena: weiter zu Boden zu blicken und zu prüfen, wie weit er gehen würde, ob er seine Drohung wahrzumachen in der Lage war. Mit großer Überwindung riß sie die Augen los und sah ihn an. »Es ist eine Falle, ein Netz.«
    Nicht nur ließ er sie sofort fallen, er taumelte auch zurück, als hätte ihm ein Ur die Hörner vor die Brust gestoßen. Aus einiger

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