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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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gestoßen? Wir unternehmen keinen Kriegszug, sondern sind um der Mission der Heiden willen hier. Gott wird uns bewahren. Und er wird mir das höchste Heiligtum dieser Barbaren in die Hände geben. Ihr werdet gehorchen.«
    »Ja.« Es klang brüchig, müde.
    »Die Wendin soll uns den Weg weisen.«
    Embricho, der mit ihr zur Straße laufen wollte, wurde vom Arm des Mönchs zurückgehalten. »Ihr bleibt hier.« Tietgaud packte sie an den Haaren und zog sie zum Straßenrand. »Scheint, als hättest du zu viele Freiheiten,kleine Hexe.« Er nahm ihr Kinn in einen so harten Griff, daß das Fleisch der Wangen schmerzhaft an die Zähne gepreßt wurde, und lenkte ihr das Gesicht im Wechsel nach links und nach rechts. »Reth-ra. Wo lang?«
    Sie mußte einfach in die südwestliche Richtung nicken, und alle würden sie vor die Wälle der mächtigen Racesburg stolpern. Die Polaben waren gute Krieger. Sie würden wie Adler auf den Marder herabstoßen, würden ohne zu zögern ihre Krallen in seinen Rücken schlagen. Obwohl sie noch einige Wegstunden entfernt sein mußte, meinte Alena, die Burg hinter der nächsten Wegbiegung zu wissen: Den See, die lange Brücke, die Pfähle, die zur Abwehr von Booten rings um die Insel ihre Spitzen aus dem Wasser streckten. Jeder Ankömmling war gezwungen, unter den Augen der Burgbesatzung gute einhundert Schritt neben dem Wall und den Palisaden entlangzulaufen, ein leichtes Ziel, bis er das Tor zur Vorburg erreichte. Hinter der Burg verborgen lag eine zweite, größere Insel, mit einer Siedlung und Äckern und Gärten. Und auf einem Ausläufer, einer Halbinsel, die in den See hinausragte, das Heiligtum der Göttin Siva. Die Polaben würden keinen Fremden auch nur in die Nähe kommen lassen. Ein Kopfnicken in diese Richtung, und der Marder war des Todes.
    Ahnte Tietgaud, was in ihr vorging? Selbst wenn sie zur Polabenburg ritten – würde der Marder ihr nicht mit seiner letzten Handbewegung noch die Kehle durchschneiden? Das Opfer. Die Racesburg kam nicht in Frage. Was nützte es, wenn die Polaben die Franken niedermetzelten! Es galt, ein Opfer für Svarožić nach Rethra zu bringen. Vater wartete darauf. Die Redarier und die Abgesandten der anderen Stämme warteten darauf. Sie durfte die Franken nicht den Polaben vorwerfen, mochte ihre Burg noch so verlockend nah sein. Nein, die Franken gehörten ihnen; Redarier hatten ihr Leben lassen müssen, und so sollten auch die Franken ihr Leben in Rethra lassen.
    Sie nickte in nordöstliche Richtung.
    »Ich warne dich«, sagte der Marder leise. »Führe uns nicht in eine Falle.«
    Bald trabten sie auf den Pferden die Straße hinunter. Zwischen den Fahrrinnen der Karrenräder stachen die Hufe Gras und Erde aus und schleuderten sie in die Luft. Staub wirbelte auf. Häher flogen im Wald neben den Reitern her, krächzten und zeterten, verkündeten empört die Ruhestörung. Alena krallte, vor Morhard sitzend, die Hände in die Pferdemähne und spähte besorgt in das Unterholz: Die Franken schienen keine Kenntnis davon zu haben, daß zu beiden Seiten der Straße polabische Siedlungen im Wald versteckt lagen, umzäunte Dörfer, deren Einwohner den Klang von zwanzig berittenen Franken gut von dem eines einzelnen Botenreiters zu unterscheiden wußten. Sie lauschte auf Signalhörner.
    Versunken betrachtete sie den Hünen, dessen Haarpracht auf seinem Rücken wippte wie ein goldenes Tuch. Während er mit der Rechten die Zügel hielt, streichelte seine Linke fortwährend den Hals des Fuchses, den er ritt. Er bewegte die Lippen, schien mit dem Wallach zu sprechen. Je eiliger die Franken ritten, desto rascher würden sie sterben. Ahnten sie nichts davon? Der Oberkörper des Hünen würde entblößt werden, damit der Dreiköpfige und das Volk sehen konnten, daß er ein würdevolles Opfer darstellte. Die Priester allein würden ihn nicht halten können, man würde wohl sechs Krieger damit beauftragen: Zwei für die gefesselten Beine, zwei für jeden Arm. Sie würden ihn auf den Altar heben. Vater würde nicht mit dem Opfermesser, sondern mit einer verzierten Axt ausholen und zuerst den linken Fuß vom Körper trennen. Dann die rechte Hand. Dann den rechten Fuß, die linke Hand. Und zum Schluß den Kopf.
    Jetzt senkte er den Oberkörper herab, näherte sich dem Ohr des Fuchses, wisperte Unverständliches. Wie er das Tier streichelte! Selten hatte sie einen Mann gesehen, der ein Tier so zärtlich behandelte. Große, von dicken Aderndurchzogene Hände hatte er. Kräftige

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