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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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einem dicken Baumstamm. Hier setzten sie sich auf die Wurzelvorsprünge. Brun, Audulf und Embricho stützten, als wären sie Brüder, in der gleichen Art den Kopf auf die Hände.
    »Verdammter Regen«, murmelte Embricho.
    Brun brummte zustimmend, und Audulf seufzte. Dann schwiegen sie, dösten vor sich hin. Tietgaud starrte in die glitzernden Wasserfäden.
    Was grübelte er? Es war ihr unangenehm, so nahe beim Mönch zu sitzen, obwohl ihr der Hagere für einige Augenblicke beinahe leid tat, wie er da saß mit sorgenvollem, ernstem Gesicht.
    Noch während sie ihn betrachtete, schaute er sie plötzlich an. »Alena, ich habe nachgedacht.«
    »Das habe ich gesehen.«
    »Der Herr möchte von uns, daß wir unsere Feinde lieben.Erzählt mir von Eurem Glauben!« Das spitze Kinn im Mardergesicht schob sich nach vorn. Mit ruhiger Bewegung strich sich der Mönch das Wasser aus den Haaren. Der Flaum klebte ihm wie eine Kappe am Kopf.
    »Wie meint Ihr das?«
    »Ich möchte Eurem Volk den wahren Gott bringen, den Glauben an das, was Wirklichkeit ist. Damit sie mich verstehen können, muß ich begreifen, was sie an den Teufelstempel fesselt.«
    »Wir wissen, was Wirklichkeit ist. Wir kennen die Geister, die im Wald tanzen und in den Bäumen leben. Wir wissen vom Herrscher des Waldes, wissen, daß er die Stille liebt und lautes Rufen oder Pfeifen bestraft. In jedem Haus wohnt ein Geist, beschützt die Familie und die Tiere, spielt uns Possen, aber wehe, wir kränken ihn, dann wird er böse und rachsüchtig, verwirrt der Frau das Garn, schreckt nachts die Kinder. Wir kennen die Götter, allen voran Svarožić, dem jedes Volk opfert. Auch Ihr tätet gut daran, ihn um Euretwillen zu besänftigen.«
    »Wie wollt Ihr wissen, daß dieser … Swaroschitch lebt und nicht nur eine Erfindung der Priester ist, ein Götze, der Euch nicht helfen kann?«
    Alena hob abwehrend die Hände. »Wie könnt Ihr so reden? Ihr werdet ihn erzürnen!«
    »Verzeiht. Trotzdem muß ich fragen: Woher wißt Ihr, daß Euer Gott lebt?«
    »Es gibt sein Standbild, aber Svarožić selbst kann niemand sehen. In mancher Nacht reitet er auf seinem weißen Pferd durch das Land. Am Morgen steht es dann schweißnaß im Stall. Ich habe es selbst gesehen.«
    »Dieses Pferd … Es orakelt, richtig?«
    Sie nickte.
    »Ich habe davon gehört.« Tietgaud besah seine Finger. »Wie soll ich Euch das erklären? Es ist gut möglich, daß das Pferd wirklich geritten wird, und die Geister im Wald, an die Ihr glaubt – es kann sein, daß sie Wirklichkeit sind.Aber sie gehören dem Bösen an, und es ist der Böse, der Rethras Pferd Orakelsprüche eingibt.«
    »Cernoboh? Nein, der schwarze Gott würde sich nie an das Orakel heranwagen. Er ist Svarožić untertan wie Belboh, der weiße Gott.«
    »Er macht Euch das glauben. Und er ist auch unterlegen, denn Christus hat ihn besiegt, er hat der Schlange den Kopf zertreten, so wahr, wie ihn die Schlange in die Ferse gebissen hat, so daß er am Kreuz sterben mußte für uns.«
    »Sterben? Was meint Ihr?«
    »Jesus Christus. Er ist Gottes Sohn.«
    »Auch Svarožić hat einen Vater. Sein Name ist tabu. So mächtig ist er, daß wir ihn nicht mehr anrufen dürfen oder von ihm sprechen.«
    »Seht Ihr? Gott ist stark. Dennoch hat er seinen Sohn für uns in den Tod gegeben.«
    »Wie das? Wie kann ein Göttersohn sterben?«
    »Er ist Mensch geworden, um sterben zu können.«
    »Um sterben zu
können
? Heißt das, er selbst wollte sterben?«
    »Ja. Damit hat er uns gerettet. Versteht Ihr, es mußte jemand sterben: entweder wir alle oder Christus.«
    »Und all das soll Cernoboh eingefädelt haben?«
    »Nicht ganz. Unser Tod ist die Strafe, weil wir dem Gesetz nicht genügen. Christus ist unseren Tod gestorben, und damit ist das Gesetz erfüllt, während wir frei ausgehen, als Wesen, die fortan ewig leben dürfen.«
    In Alenas Kopf drehte sich alles. Was für verquere Gedanken! Er durfte sie auf keinen Fall nach Rethra tragen. Sobald er dort zu sprechen beginnen würde, mußte sie dafür sorgen, daß man ihn knebelte.
    Sie sah, daß der Hüne sich erhob. Er packte das Schwert am nassen Griff und trat in den Regen hinaus.
    »Wo geht Ihr hin?« fragte sie.
    »Mich auf die Jagd vorbereiten.«
    »Ich gehe mit Euch.«
    »Jagd ist keine Frauensache.«
    Welcher Unterschied zu Cozilo, der sie angefleht hatte, ihn zu begleiten! »Ihr könntet Euch verlaufen, dann braucht Ihr meine Hilfe.«
    Embricho antwortete nicht, und so folgte sie ihm einfach.
    »Glaubt Ihr

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