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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Längst verspürte Uvelan mit jedem Atemzug ein Stechen in den Seiten.
    Aber da war er, dort vorn, der See! Ein heller Streifen zeigte sich zwischen den Bäumen, ein weißblauer Strich, und die Luft war von frischer Kühle.
    Hatte er nicht sich selbst in jenem Loch vergraben? Wenn er es fand, dann würde er seine Vergangenheit, sein Leben, seine Jugend finden. Uvelan lachte irr.
    Einige Enten flogen laut flügelschlagend auf, als er das Ufer des Sees erreichte. Vier Schwäne glitten mit entrüstet erhobenen Köpfen zur Mitte des Gewässers. Es mußte der See sein. Der richtige See.
    Wie eine Nuß, die in ihrer Schale klappert, so donnerte Uvelans Herz gegen die Rippen. Er ging am Ufer entlang, besah sich die Bäume. Stieleichen, dachte er, ja, die mochten den feuchten Boden. Und wo waren die Birken?
    Er hatte den halben See umlaufen, als er auf drei Birkenbäume stieß. Es waren dicke, alte Stämme, die Äste steil in den Himmel gestreckt, die weißgefleckte Rinde mit Knollen und Rissen übersät. Fünf mußten es sein!
    Aber war nicht viel Zeit vergangen? Konnte es nichtsein, daß zwei der Birken einem Sturm zum Opfer gefallen waren oder den Geweihen der Hirsche, wenn sie sich den Bast abstreiften?
    Uvelan schloß die Augen. Eine Täuschung, jenes Loch, ein Traum? Er öffnete sie wieder, lief einige Schritte mit steifen Knien, als zählte er eine Entfernung, obwohl er tatsächlich nur auf eine Stimme wartete, die ihm sagen würde: Hier.
    Er drehte sich im Kreis, sah nach den Bäumen. So hatte es im Traum ausgesehen, so standen sie, fünf zwar und nicht drei, aber in dieser Entfernung. Langsam ließ er sich zu Boden sinken und begann zu graben.
    Erde schob sich ihm schmerzhaft unter die Fingernägel. Spitze Steine bohrten sich in seine Haut, Laufspinnen und Käfer flohen, Würmer wanden sich. Nichts.
    Uvelan sah wieder zu den Birken hinüber. Nach kurzem Überlegen rückte er um eine Armlänge zur Seite und grub erneut. Nichts.
    Ein drittes Loch.
    Ein viertes.
    Ein fünftes.
    Die Arme wurden ihm schwer und schmerzten. Er schwitzte, grub mit zusammengepreßten Lippen und fest verbissenen Zähnen.
    Und dann plötzlich: Blut. Er hatte sich den Finger geschnitten. Tiefes Rot rann über die erdschwarze Haut. Uvelan sprang auf, hastete zum Seeufer, tauchte die Hand ins Wasser. Er rieb den Daumen so lange über den verletzten Finger, bis der beinahe sauber war. Als er die Hand aus dem Wasser hob, war die Haut wellig geworden. Das Blut, das aus dem Schnitt sickerte, vermengte sich mit den Wassertropfen zu einer hellroten Flüssigkeit, lief ihm zwischen die Finger und den Handteller herunter. Er leckte es auf. Auf der Zungenspitze kitzelte der Blutgeschmack. Uvelan blies auf den Finger, bis er trocknete und der Schnitt als heller, roter Strich zur Ruhe fand.
    Mit bedächtigen Schritten ging er zurück zur Grube. Die verletzte Hand an die Brust gedrückt, beugte er sich über das Loch und wischte am unteren Ende vorsichtig Erde an den Rand. Etwas schimmerte in rotsilbernem Ton. Uvelans Atem beschleunigte sich. Mit bebenden Fingern grub er um den Gegenstand herum. Daneben stakte ein Schlangenkopf aus weißem Silber aus der Erde. Er zog daran: Ein in Ringen gekrümmter Schlangenkörper wurde sichtbar, schließlich hielt er die ganze Schlange in der Hand. Schmutz hatte sich in die feinen Muster gesetzt, die ihren Körper bedeckten. Mit angehaltenem Atem schob sich Uvelan das Silber über die verletzte Hand. Es saß wie angegossen um seinen Unterarm: Der Schwanz endete auf der Außenseite des Armes, der Kopf lag auf dem inneren Handgelenk auf.
    Es war kein Traum gewesen. Die Erinnerung kehrte zurück. »Endlich.«
    Er langte in die Grube hinunter, hob den rotsilbernen Gegenstand heraus. Rotes Eisen. Es war ein Messer. Ein Messer ganz aus Bronze.
    Behutsam zog Uvelan es aus der hartledernen Scheide. Er mußte sich an der Spitze des Messers geschnitten haben, die aus der Scheide herausschaute. Mit dem Ärmel wischte er den Schmutz von Klinge und Griff. Die Klinge machte nur ein Drittel der Länge des Messers aus. Der Griff war am Klingenansatz und am stumpfen Ende mit Reihen feiner Dreiecke verziert, die Reihen umgrenzt von einer dreifachen Linie. Drei Symbole waren im Zentrum des Griffes in das rote Eisen eingegraben. Sie stellten Blüten dar, kreuzförmige Blüten.
    Als er den dritten Gegenstand aus der Grube zog, einen ledernen Beutel, angefressen und brüchig, traf ihn wie ein Blitz die Erkenntnis, was diese Gegenstände

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