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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Kopf …« Da lief es wie ein Blitz von Uvelans Fingerspitzen über seinen Arm. Ein Nagel. Er wischte mit den Fingern um ihn herum. Ja, eine kleine Delle. Er mußte es versuchen. Mit beiden Händen den Nagel und den Steigbügel betastend, schob er den Bügel unter den Nagelkopf. Dann zog er, bis ihm die Arme zitterten. Nichts. »Embricho? Brun? Könnt Ihr hierher finden? Tastet, bis Ihr meine Hände fühlen könnt. Ich halte den Steigbügel. Habe ihn unter einen Nagelkopf geklemmt. Schafft Ihr es, den Nagel herauszuziehen? Ich bin zu alt, meine Kraft reicht nicht aus.«
    Behaarte Hände berührten ihn. Brun erkundigte sich mit gedämpfter Stimme: »Ihr habt einfach daran gezogen?«
    »Warum fragt Ihr?«
    »Das ist nicht klug. Es ist besser, das Werkzeug am Ende zu ergreifen und gegen den Boden zu stemmen. Dann biegt man es langsam um.« Er ächzte. Schließlich wurde etwas Langes, Kaltes auf Uvelans Handrücken gedrückt. »Da habt Ihr Euren Nagel.«
    »Wunderbar. Behaltet den Steigbügel. Könnt Ihr die Ränder der Bohle erfühlen? Findet die anderen Nägeln, mit denen sie festgehalten wird. Wir müssen sie alle lösen.«
    Embricho pfiff leise durch die Zähne. »Verstehe«, flüsterte er. »Ihr wollte die Bohle als Rammbock gegen die Tür einsetzen. Darauf hätte ich auch kommen müssen.«
    »Nein, die Bohle bedeutet nichts. Wir brauchen ein Loch.«
    »Ein Loch?« Tietgaud mußte nahe neben ihm hocken. Sein Flüstern zischte schmerzhaft in Uvelans Ohr. »Wollt Ihr einen Tunnel graben? Vergeßt nicht, wir befinden uns auf einer Insel. Wir würden sehr bald auf Wasser stoßen.«
    Uvelan kroch ein Stück beiseite, rieb sich die Speichelspritzeraus dem Ohr. »Es geht nicht um einen Tunnel. Wir brauchen ein Versteck. Denkt einmal nach! Das, was Javor am meisten fürchtet, ist, daß einer von uns entkommt. Und er will uns ersäufen, also soll unser Tod im Verborgenen bleiben. Niemand im Frankenreich erfährt, daß wir hier gestorben sind – es könnten wilde Tiere im Wald gewesen sein, die Redarier, oder wer weiß wer. Es besteht für die Obodriten nicht die Gefahr eines Rachezugs der Franken.«
    »Und ein Loch ist die Lösung? Wie das?«
    »Einer von uns verbirgt sich unter den Bohlen. Ich sage nicht, daß wir dadurch gerettet sind. Aber möglicherweise zögert Javor, wenn er meint, der Fehlende sei irgendwie geflohen. Für den Fürsten sieht es so aus, als erführe man im Frankenreich, wo wir zuletzt gesehen wurden. Sie riskieren einiges, wenn sie uns dann noch umbringen.« Er tat einen rauschenden Atemzug. »Ich mag ein alter Mann sein, aber ich habe kurz gelebt. Es gibt noch Dinge, die ich erledigen möchte.«
    »Sterben will hier keiner. Wo soll die Erde hin, die wir aus dem Loch ausheben müssen, um Platz zu schaffen? Ein Haufen Erde in der Kammer wird auffallen.«
    Brun zischte: »Im Notfall essen wir sie! Besser, als von einer Axt zerteilt zu werden.«
    »Ich glaube gar nicht, daß wir auf viel Erde stoßen werden«, murmelte Uvelan. »Los, machen wir weiter.«
    Bald hoben sie die erste Bohle heraus. Die Querbalken, die den Boden trugen, ließen genügend Platz für ein Versteck; der Hohlraum jedoch war mit Reisigbündeln und Steinen gefüllt. Spinnenbeine eilten über Uvelans tastende Hände. Auf sein Geheiß lösten die Franken zwei weitere Bohlen. Mit Gewalt stopften sie die Reisigbündel in die benachbarten Hohlräume. Die Steine schichteten sie am Bohlenende auf.
    »Einer von Euch Franken muß da hinein«, flüsterte Uvelan. »Die Obodriten sollen glauben, er sei nach Hause geflohen. Mein Zuhause ist nicht das Frankenreich.«
    »Ich bin zu groß«, sagte Embricho.
    Brun sagte: »Und ich zu breit.«
    »Audulf, leg du dich hinein«, befahl Tietgaud. »Du bist klein.«
    »Das ist ja … wie ein Grab.«
    »Wolltest du nicht schon immer diesem Erdvolk nahe sein? Dort lebt es«, raunte Tietgaud. »Krieche hinein, vielleicht kannst du mit ihnen sprechen.«
    »Das verborgene Volk sagt, es ist ein Frevel. Der Mensch soll nicht unter der Erde wohnen. Das ist das Reich des verborgenen Volkes.«
    »Auf der Stelle wirst du gehorchen, oder wir zwingen dich!«
    »Wenn Ihr mich hineinstoßt, schreie ich und trommele gegen die Bohlen, sobald die Obodriten Euch holen kommen.«
    »Also Ihr«, sagte Uvelan. »Tietgaud. Ihr seid nicht zu groß für das Loch.«
    Einige Augenblicke war es still.
    Tietgaud zischte: »Wir haben eines nicht bedacht: Nachdem die anderen freigelassen sind, liegt der eine noch immer unter den Bohlen.

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