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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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der Burg. Das mußten zehn oder sogar fünfzehn Schritte sein. Ein würdiger Panzer für das Ungeheuer.
    Lautes Lachen neben ihr ließ sie aufschrecken. Gnevka! Sie fächelte die rechte Hand, strahlte den Wachposten an. »Nein, mehr ist es nicht dieses Mal.« Einen kleinen Flunsch im Gesicht, hob sie mit der linken den Tontopf in die Höhe, den ein Lederlappen verschlossen hielt.
    »Warst du nicht erst vor vier Tagen da?«
    »Ich habe gestern einen neuen Schwarm gefangen und mußte eine alte Bienenbeute leeren, um wieder eine frei zu haben. Deshalb bringe ich schon wieder Honig. Sollte euch das nicht freuen?«
    »Und wer ist das? Deine Base? Ihr Kleid sieht aus, als hätte sie in den Sümpfen gebadet.«
    »Sie ist zu Besuch. Ich wollte ihr Zwerin zeigen.«
    »Verstehe. Du willst prahlen.« Er wendete sich Alena zu, lächelte. »Schöne Augen hast du.«
    »Danke.«
    »Seht zu, daß ihr bald verschwindet. Javor sieht im Moment ungern Fremde hier.«
    Im Schatten des Torweges unter dem Turm zischte Alena: »Was ist los?«
    Gnevka antwortete nicht.
    Der Bauch des Ungeheuers tat sich auf. Zwerin war nicht im geringsten mit Rethra zu vergleichen. Rethra hatte weit ausladende Mauern, aber es war eine Siedlung mit Sand, weiten Wiesen, Häusern. Das Ungeheuer Zwerinhatte keinen Sand, kein Gras in seinem Inneren. Der Hof war Teil von ihm wie das Fell Teil eines Tieres war. Holzplanken bedeckten die gesamte Fläche; Ställe, Häuser, Handwerksschuppen und selbst der Brunnen waren vom gleichen dunklen Holz gemacht.
    Zwerins Bewohner trugen keine schwarzen, weißbestickten Priestermäntel. Sporen waren an ihre Fersen geschnallt, Köcher mit Pfeilen ragten über ihre Rücken hinaus, Pfeile darin, im Schaft schwarze Krähenfedern. Sie hielten Speere mit eisernen Spitzen, geflochtene Schilde, Äxte, deren mächtige Blätter sich weit den Schaft hinunterbogen.
    War die Gefangennahme der Franken ein solcher Steinwurf auf das Hornissennest gewesen? Die Zweriner waren offensichtlich in Aufregung. Wovor fürchteten sie sich? Alena zupfte Gnevka am Ärmel. »Das ist doch nicht immer so, oder?«
    Stumm schüttelte die Imkerin den Kopf.
    Pferdehufe dröhnten auf den Planken. Während die einen die Tiere am Zügel hielten, sprangen zehn andere in die Sättel. Rücksichtslos drängten sich die Reiter über den Hof zum Tor. Das Poltern der Hufe hallte unter dem Turm wider.
    »Hör zu«, hauchte Gnevka, »ich mache mich besser aus dem Staub.«
    Ein Mann mit Augenbrauen wie schwarze Raupen und einem dichten Bart trat auf Alena und Gnevka zu. »Ihr seid gerade erst gekommen, richtig?«
    »So ist es.« Die Imkerin ließ die Hände sinken.
    »Habt ihr unterwegs einen Greis gesehen, einen mit schiefer Nase, Krallenhänden und wildem Haar? Weit kann er nicht gekommen sein.«
    Der Alte. Er hatte die anderen verlassen. Das war es, was er gewollt hatte. Sie nach Zwerin in den Tod führen, um sie zu vernichten. Aber warum hatte er dann sie, Alena, verschont?
    »Nein, wir haben niemanden gesehen.« Gnevka wartete, bis der Bärtige gegangen war, dann raunte sie: »Dein Geliebter ist kein häßlicher Tattergreis, oder?«
    »Der Alte war bei Embricho, als er gefangengenommen wurde.«
    »Und er ist geflohen, ohne den jungen Mann mitzunehmen?«
    »Es ist ein merkwürdiger Alter. Gut möglich, daß er sich in Luft auflösen kann, durch Wände gehen. Was mit Embricho ist, werde ich herausfinden. Danke für deine Hilfe, Gnevka.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich hoffe, ich habe dich nicht in den Tod geführt. Leb wohl.«
    Ein letzter Blick aus den geröteten Augen, dann wurde Gnevka vom Torschatten verschluckt. Sie hätten gute Freundinnen werden können, wären sie nicht Angehörige verfeindeter Völker. Vielleicht konnte Alena ihr eines Tages die Wahrheit sagen.
    Sie sah sich um. Ein Versteck mußte her, und zwar bevor man anfing, ihr unangenehme Fragen zu stellen. Vor einer der Treppen, die den Wall hinauf zum Wehrgang führten, stand ein kleinwüchsiger, dickleibiger Mann und gab den Männern Anweisungen. Er trug ein Eisenhemd aus feinen Ringen, denen der Franken ähnlich. Konnte er es von ihnen …? Nein, selbst Brun hatte keinen Bauch wie dieser dort. Und auch das Schwert an seiner Seite konnte nicht von den Franken stammen: Es trug silberne Linien auf der Schneide, feine Verzierungen. Sein Träger mußte reich sein und Bedeutung haben in Zwerin. Er war nicht mehr jung; allein ein spärlicher Kranz von Haaren war ihm verblieben, knapp oberhalb der Ohren und

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