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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Und er muß dort bleiben für mindestens einen Tag und eine Nacht, damit die Flucht gelingt und sie uns nicht nachjagen, weil der Betrug aufgeflogen ist. Auf welche Weise soll der Versteckte entkommen?«
    »Für Euch hat das keine Bedeutung. Ihr wollt doch den Märtyrertod sterben.«
    »Aber nicht in diesem Loch. Euch, Uvelan, wird es um einiges leichter fallen, die Burg aus eigener Kraft zu verlassen. Ihr beherrscht die Sprache dieser Barbaren. Und sollte es Euch nicht gelingen – Ihr seid alt, Ihr habt Euer Leben hinter Euch. Eure Zeit ist so oder so bald abgelaufen. Was sollen das schon für Dinge sein, die Ihr noch vorhabt?«

15. Kapitel
     
     
    Wie ein lauerndes Ungeheuer kauerte die Burg Zwerin auf einer Insel am Rande eines großen Sees: Ein dunkler Koloß auf blau umspültem Hügel. Stachel ragten rings um das Ufer wie Zähne aus dem Wasser, gespitzte Eichenbalken, um Boote abzuwehren. Der Knüppeldamm, dem Gnevka und Alena seit einiger Zeit folgten, führte stracks auf das Maul des Ungeheuers zu. Es hatte ihn ausgelegt als Zunge. Wie viele Besucher verspeiste Zwerin am Tag?
    Hinter den Wolken die Sonne. Ab und an funkelte ein Zipfel hervor und sandte helle Strahlen auf den See. Rasch schloß sich dann die blasse Himmelsdecke wieder, als wäre es der Sonne unangenehm, daß ihr für einen Augenblick die Kleider verrutschten.
    Zur linken des Damms lag ein weiterer See. Ein Netz fauchte durch die Luft und klatschte auf das Wasser. Im schaukelnden Boot: zwei Männer. Sie winkten den Frauen zu und zeigten ihre Zähne. Ein zweites, kleineres Gefährt trug nur einen Mann. Er hielt einen Speer in die Luft, den Blick starr auf die feinen Wellen des Sees gerichtet.
    Ob Embricho noch am Leben war? Gnevka hatte darauf bestanden, daß sie die Nacht in Kamenica verbrachten und erst am Morgen nach Zwerin aufbrachen. »Wenn wir heute noch gehen, kommen wir in der Abenddämmerung an«, hatte sie gesagt. »Auffälliger geht es nicht. Wer reist so, daß er in der Dunkelheit heimkehren muß? Es geht durch das Moor, Alena – im Dunkeln den Bohlenweg zu verlieren, kann das Leben kosten. Die Zweriner würden Verdacht schöpfen.« Also hatte Alena sich auf einen Strohsack in Gnevkas Haus gelegt und war am Morgen beschämt erwacht.Nach einigem Hin- und Herwerfen und besorgtem In-die-Dunkelheit-Stieren am Abend war sie doch eingeschlafen und hatte eine traumlose, erholsame Nacht verbracht.
    Und der Hüne? Vielleicht hatten sie ihn längst erschlagen, vielleicht hatte er noch gehofft, sie würde da sein und seinen brechenden Blick auffangen. Das erwählte Opfer erschlagen! Ihr wurde schlecht.
    Mit jedem Schritt, den sie näher kamen, ragte die Burg höher und bedrohlicher auf. Der Wall, der aus einem Graben Kraft schöpfte, schwang sich mehrere Mannslängen in die Höhe, und die dicken Stämme, die ihn als Palisadenkette krönten, hoben sich wie gewetzte, schwarze Messer vom Himmel ab. Alena konnte ein halbes Dutzend Wachposten dahinter erkennen.
    »Ist die Brücke nachts erleuchtet?« fragte sie.
    »Das weiß ich nicht, ob sie Fackeln aufstellen. Bei Nacht war ich noch nie hier. Du willst mit deinem Frankenliebling zum Tor hinausspazieren? Das Tor ist geschlossen nach Sonnenuntergang.«
    »Aber man könnte über die Palisaden klettern, irgendwie, und dann den Wall hinunter. Wenn er noch lebt.«
    Gnevka griff nach Alenas Arm. »Wir können umkehren, hörst du? Du bist eine mutige Frau, ich weiß das, aber du bist nur
eine
gegen die ganze Burgbesatzung. Wie willst du den Mann befreien?«
    Mit Mühe unterdrückte Alena das Verlangen, sich aus Gnevkas Hand zu winden. »Ich weiß noch nicht, wie, aber mir wird bestimmt etwas einfallen.« Alena wandte den Blick nicht von der Feste.
    Leise murmelnd, ließ Gnevka sie los: »Glaub mir, ich wünsche dir wirklich, daß du lebend dort wieder herauskommst – zusammen mit deinem Geliebten.« Dann schwieg sie.
    Ob Reisenden Rethra genauso bedrohlich vorkam? Vermutlich erschien ihnen die Tempelburg noch viel schrecklicher.War nicht allein schon der innere Mauerring Rethras mindestens doppelt so groß wie dieses Zwerin? Die Obodritenburg hatte ein Tor; zugegeben, einen Schlund von einem Tor. Rethra hatte sechs. »Weißt du«, sagte Alena, »Wälle und Palisaden schrecken mich nicht … nicht so sehr.«
    »Still jetzt!«
    Sie waren vor dem Tor angelangt. Es stand offen: Eine Höhle unter einem gewaltigen Erd-, Stein- und Holzturm hindurch. Alena schätzte den Weg vom Fuß des Walls bis zum Inneren

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