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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Hauch: schmerzhafte, sanfte Erinnerung. Er riß die Hand zum Gesicht herauf und preßte Daumen und Zeigefinger in die Augenhöhlen. Stieß laut Luft aus, starrte auf die roten Flecken hinter den Augenlidern.
    Vorsichtig löste er die Finger wieder. Wärme ergoß sich in seine Augäpfel, und die Flecken schwanden langsam, bis er wieder klar sehen konnte. Dort: Kaum berührten ihre Füße das glänzende Holz. Sie tastete mit den Zehenspitzen, und von ihren Schritten blieb nichts als die feine, schmale Spur der Schuhe. Ein Hauch, verglichen mit den Stiefelabdrücken, die die Franken im Mondschein auf dem Knüppelweg hinterließen, Embricho und Brun, die den Mönch zwischen sich hielten, und Audulf, der voraneilte.
    Alena war von zartem Körperbau, wie eine Taube, wie ein Reh, das im Morgennebel die jungen Triebe rupft, aber im Innern mußte sie die Stärke einer Bärin haben. Sie hatte für ihn gekämpft.
    Endlich endete der Damm, und sie setzten die Füße auf weichen, nach regennasser Erde duftenden Waldboden. Der blonde Hüne löste sich von Tietgaud und überließ ihn Brun. Er war mit seinen langen Beinen in Augenblicken bei Alena. »Du gehst so allein, das ist nicht richtig. Es tut mir leid, daß ich vorgestern so … abweisend zu dir war. Ich habe nachgedacht, es war wirklich eine Dummheit.«
    Uvelan verkleinerte seine Schritte. Er schluckte, ohne daß es half, den drückenden, trockenen Kiefernzapfen in seinem Hals zu lösen. Es fiel ihm plötzlich schwer, Atem zu holen. Er blieb stehen, griff nach dem Zweig eines Schlehenbusches am Wegrand, preßte die Dornen in seine Handfläche, drückte fest zu. Die Erinnerung, die ihn nicht losließ: Sie würde ihn unbesiegbar machen im Vernichtungskampf gegen Rethra. Die Zeit war reif. Die Tempelburg würde fallen.
    Er wendete er sich ab vom Weg und lief in den Wald hinein.
    »Wo wollt Ihr hin, Uvelan?« dröhnte Brun. »Wir machen bald Rast, im Morgengrauen legen wir uns schlafen für eine Weile. Kommt zurück, ein Umweg lohnt sich jetzt nicht!«
    Im Vorbeigehen fuhr Uvelan mit der blutenden Hand über die jungen Blätter der Büsche und Sträucher, als würde er alte Bekannte grüßen.
     
    Der Duft arabischen Weihrauchs hüllte den kleinen Altar ein, streichelte sanft die Silberhaut und die roten Jaspise, die gelben Topase. An den Wänden schluckten Teppiche das flackernde Licht der Talglampen. Ein Geistlicher kniete im Staub vor dem Altar. Der runde, fein bestickte Leinenkasel von strahlendem Rot über seinen Schultern regte sich nicht. Einzig das Kinn des Betenden schwappte, winzig, in einer Hautfalte; ein Stutzbart zeigte an, wo es sich befand.
    »Venerabilis?«
    Das Gebet stockte. Grüne Augen. »Was gibt es?«
    »Javor erwartet Euch.«
    Mit der Würde eines Königs erhob sich der Geistliche. Die weiße Albe fiel bis zu den Knöcheln herab, warf lange Falten. Ein weiterer Schwertträger erschien in der Tür, wich zurück, um dem Geistlichen Platz zu machen, verneigte sich.
    Ein Flur. Daran anschließend ein stattlicher Raum: Der Boden aus tausenden Steinen zusammengesetzt. In der Luft der Geruch von Ruß und angebranntem Fett. Auf einem Sessel aus Holz der Fürst. »Ich grüße Euch. Hoffe, Ihr habt wohl geruht.«
    »In der Nacht gab es Licht auf dem Hof und Geschrei. Schwierigkeiten, Javor?«
    »Nein.«
    »Was hat sich zugetragen?«
    »Nichts, das unser Vorhaben gefährden könnte. Eine Sache der Ehre war zu erledigen. Ein Geschäft aus alter Zeit, das ich nun abgeschlossen habe.«
    »Mitten in der Nacht?« Der Geistliche hob die Brauen. »Ihr werdet das Unterfangen nicht aufs Spiel setzen, bei dem für Euch weitere Ländereien in der Nähe Hamburgs herausspringen.«
    »So ist es. Sorgt Euch nicht. Habt Ihr noch einmal über den Zeitpunkt nachgedacht? Wir sollten aufbrechen, sobald die Sachsen eingetroffen sind. Nie wird es leichter sein als jetzt, Rethra zu überraschen: Die sächsischen Scharen und meine Männer führe ich auf geheimen Pfaden durch das Gebiet der Tollensanen. Die Krieger der anderen Stämme verbergen ihre Waffen und besuchen Rethra für das Ritual, ohne daß sie Verdacht erregen.«
    »Die Freude darüber macht Euch blind dafür, daß zum Ritual auch Angehörige des verblichenen Weletenbundes reisen: Kessiner, Zirzipanen, Tollensanen.«
    Die rechte Wange des Obodritenfürsten zuckte. »Was kümmern die mich! Die Polaben kämpfen auf unserer Seite, die Ranen, die Linonen – dazu Eure Sachsen und meine Obodriten. Rethra kann nicht gewinnen.«
    »Nun

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