Die Principessa
Triumphe geblieben, seine Erfolge, an denen er sich wieder und wieder berauscht hatte? Sie gehörten der Vergangenheit an, aus der sie nun in seine Erinnerung ragten wie die Säulenstümpfe zerfallener Ruinen. Er hatte den Glücksring verloren, den die Götter ihm über den Finger gestreift hatten; sein Stern war für immer verblasst, sein Ruhm für immer verhallt. Und für immer dahin war das Glückder erfüllten Liebe, das er in einer unwirklichen Nacht genossen hatte: Die Principessa hatte sein Herz, zu dem er keiner Frau vor ihr je Einlass gewährt hatte, mit zarter Hand geöffnet, und jetzt ließ es sich nicht mehr verschließen. Hatte je ein Mensch größeres Leid erlitten als er, war je ein Mensch tiefer gefallen? Der Tod, vor dem ihm in jungen Jahren so sehr gegraut hatte, erschien ihm nun wie eine süße Verlockung.
Und wenn er der Principessa einen Brief schrieb? Entschlossen sprang er auf, griff nach Papier und Feder und begann zu schreiben, glühende, flammende Worte, füllte Seite um Seite, mit heißen Wangen, als wäre er im Fieber. Doch so plötzlich seine Kräfte erwacht waren, so plötzlich erlahmten sie, und er ließ seine Hand sinken. Warum hörte er auf zu schreiben? Weil er sich fürchtete? Aus Scham, sich ihr in dieser Verfassung zu nähern? Nein, die Wahrheit war viel schlimmer. Sie konnten, sie durften sich nicht wieder sehen! Denn ihre Liebe hatte sich erfüllt, ein für alle Mal, so wie die Blüte der Engelstrompete ihre vollkommene Schönheit nur für eine einzige Nacht entfaltet, um schon vor dem Morgengrauen zu welken. Sie hatten miteinander gespielt, Clarissa war ihm vorausgeeilt, er hatte sie eingeholt, jubilierend waren sie den Berg hinaufgelaufen, um den Gipfel zu erstürmen, dann plötzlich, wie aus dem Nichts, hatte sich der Abgrund vor ihnen aufgetan, der Abgrund vollkommenen Glücks. Er hatte sie gerufen, und gemeinsam waren sie gesprungen, um sich ins Bodenlose fallen zu lassen, tiefer und tiefer … Lorenzo schüttelte den Kopf. Nein, Augenblicke wie dieser wiederholten sich nicht. Würden sie einander erneut begegnen, sie würden enttäuscht sein wie Verdurstende beim Anblick eines Salzsees. Und er zerriss den Brief wie so viele andere Briefe, die er in den letzten Tagen und Wochen geschrieben hatte, ohne einen einzigen an sie abzusenden.
Zwei steinerne Augen ruhten auf ihm, er spürte ihren Blick wie sengende Hitze auf seiner Haut: die heilige Theresa. Was sprach aus diesen Augen? Eine Frage? Ein Vorwurf? Als er den Schmerz nicht länger ertragen konnte, verließ er den Schreibtisch unddurchquerte den Raum, unsicher, zögernd, doch unwiderstehlich angezogen von diesem Blick. Er musste ihr Bildnis betrachten, zum ersten Mal seit ihrer Liebesnacht, um Linderung für seinen Schmerz zu finden, und sei es nur in der Erinnerung. Doch während er in ihr Gesicht sah, erkannte er, wie unvollkommen sein Werk noch war. Ohne zu überlegen, was er tat, zog er seinen Kittel über, nahm Schlägel und Meißel zur Hand und begann wieder an ihrem Porträt zu arbeiten, obwohl er es eigentlich längst für fertig gehalten hatte.
Denn erst in jener Liebesnacht hatte er in ihr sein wahres Modell gefunden, in dem einen unwiederbringlichen Augenblick, den er trotzdem hier festhalten wollte, festhalten musste, in ihrem Antlitz, so, wie er es für eine ewig währende Sekunde geschaut hatte und es sich seitdem wieder und wieder ins Gedächtnis rief, um es aufzubewahren für alle Zeit, in diesem Gesicht aus Marmor. Er hatte in jenem Augenblick bis auf den Grund ihrer Seele geblickt, hatte all ihre Empfindungen gespürt, wie sie sie selber gespürt hatte, weil sie eins geworden waren, ein Leib und eine Seele.
Er arbeitete, ohne zu merken, dass er arbeitete. Er vergaß alles um sich herum, es gab nur noch diesen weißen Stein, aus dem unter seinen ruhigen, gleichmäßigen Schlägen ihr Bild wiedergeboren wurde. Er hatte ihr ganzes Wesen in sich aufgesogen wie ein Schwamm, und nun flutete ihr Bild wie eine Welle aus seiner Vorstellung in seine Arme, in seine Hände, in sein Werkzeug. Der Meißel streichelte, liebkoste den Marmor, der sich wie Wachs nach seiner Erinnerung formte, und während die Züge dieses Gesichts sich ihrem Bildnis in seinem Innern mehr und mehr anverwandelten, stieg in ihm eine Ahnung jener Erlösung auf, die ein Sterbender nach langer, langer Krankheit in der Stunde seines Todes empfinden musste, im Erlöschen seines Willens.
Er hielt für einen Moment inne, um den Staub von
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