Die Principessa
gedacht.«
»Nein.« Donna Olimpia schüttelte den Kopf. »Eine Taube soll es sein, eine Taube mit einem Ölzweig im Schnabel, das Wappentier der Pamphili und zugleich Symbol des Friedens. Damit Rom und alle Welt für immer wissen, welcher Papst den Glaubenskrieg, der ein Menschenleben lang in den deutschen Landen tobte, beendet hat, ebenso wie den Krieg vor der eigenen Tür, den Urban unnötigerweise gegen Castro führte.«
»Amen!«, erklärte Innozenz mit schnarrender Stimme und streckte Francesco seine Hand zum Abschied entgegen. »So soll es sein! Ja, mein Sohn, du sollst diesen Brunnen bauen!«
»Heiliger Vater«, flüsterte Francesco und kniete vor ihm nieder, übermannt von Dankbarkeit und Stolz.
Er hatte es tatsächlich geschafft! Innozenz gab ihm den Auftrag, ohne dass er sich am Wettbewerb beteiligte. Und was ihn über alle Maßen mit Genugtuung erfüllte: Keine technische Leistung hatte dabei den Ausschlag gegeben, sondern allein der künstlerische Wert seines Entwurfs, der phantastische Einfall. Vorbei die Zeit, da man ihn als Steinmetz verlachte. Gab es sie also doch, die reine, ungetrübte Freude?
»Erinnern Sie sich noch an unsere erste Begegnung?«, fragte Donna Olimpia, als sie ihn zur Tür begleitete.
Obwohl diese Begegnung Jahrzehnte zurücklag, hatte Francesco noch jeden einzelnen Satz im Ohr. »Sie gaben mir damals den Auftrag, Eccellenza, das Mauerwerk im Palazzo Pamphili vom Hausschwamm zu befreien.«
»In der Tat.« Sie nickte. »So wie wir später das Mauerwerk des Staatsgebäudes von den Wucherungen der Barberini befreit haben. Aber ich fügte damals noch etwas hinzu, und ich bin sicher, Sie haben es nicht vergessen.« Mit einem feinen Lächeln blickte sie ihn an. »Auch Michelangelo hat nicht gleich die Peterskuppel gebaut, und vielleicht gereicht es der Familie Pamphili eines Tages zur Ehre, Ihnen den ersten bedeutenden Auftrag gegeben zu haben. Wie Recht ich damit doch hatte!«
»Wir sprachen über ein
appartamento
für Lady Whetenham, Ihre Cousine aus England«, sagte Francesco, während sie ihm die Hand reichte.
Er räusperte sich, bevor er weitersprach. Durfte er es wagen, ihr jetzt die Frage zu stellen, die ihm seit seiner Ankunft auf den Lippen lag?
Donna Olimpia lächelte ihn immer noch an. Francesco fasste sich ein Herz.
»Darf ich mich höflich erkundigen, Eccellenza, wo sich die Principessa aufhält? Weilt sie noch in Rom oder ist sie wieder in ihre Heimat zurückgekehrt?«
2
Nächtliche Stille herrschte in dem großen Palazzo an der Via della Mercede. Die Kinder waren längst im Bett, und auch Caterina hatte sich bereits zurückgezogen. Lorenzo öffnete das Fenster seines Ateliers und blickte auf die dunkle, leere Straße hinaus.Lautlos schien die Welt in ihren eigenen Traum versunken, um sich selber neu zu gebären. Wie oft war er früher in solchen Stunden durch die mondbeschienenen Gassen geschlendert, allein mit sich und seinen Gedanken, ziellos, nur um zu gehen, zu atmen, zu träumen … Doch daran war seit Wochen nicht mehr zu denken. Er fühlte sich unfähig, auch nur das Haus zu verlassen, das ihm zum Refugium und zugleich zum Gefängnis geworden war. Unwillig schloss er das Fenster und nahm seine Wanderung durch das Atelier wieder auf, erfüllt von einer rastlosen Unruhe. Was war mit ihm? Er kannte solche Zustände nicht, sie waren seinem Wesen fremd. Am Anfang, in den ersten Wochen nach dem Urteilsspruch, hatte er getobt, mit erhobenen Fäusten Himmel und Hölle verflucht, stundenlang, tagelang, Anfälle blinden Wahns, in dem er Entwürfe verbrannt und Skulpturen zerschlagen hatte, bevor er plötzlich in diese entsetzliche, bleierne Niedergeschlagenheit verfallen war, aus der es kein Entrinnen zu geben schien. Die Wände erhoben sich vor ihm, als wollten sie ihn erdrücken. In diesen Wänden war sein ganzes Leben eingeschlossen, sein Leben als Künstler und Mann. Die Zeichnungen auf den Tischen, die Tonmodelle in den Ecken: Alles erinnerte ihn an einstige Taten. Hier hatte er seine kühnsten Bauten entworfen, hier hatte er seine herrlichsten Skulpturen gemeißelt – und hier hatte er in den Armen der Principessa erfahren, wozu Gott die Menschen erschaffen hatte.
Er setzte sich auf einen Schemel und barg das Gesicht in den Händen. Warum war er je glücklich gewesen? Nur um jetzt, in der Einsamkeit der Niederlage, sein Unglück doppelt zu empfinden? Er schaute auf sein Leben, und es erschien ihm sinnlos und so leer wie eine Wüste. Wo waren seine
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