Die Principessa
herrschte Donna Olimpia ihn an. »Der Heilige Vater hat den Wettbewerb bereits ausgeschrieben. Wie kann er den Auftrag außer Konkurrenz vergeben, ohne dass man ihn der Unredlichkeit zeiht?«
»Eine Frage«, sagte Innozenz und hob beschwichtigend die Hand, während er sich mit ernster Miene Francesco zuwandte. »Angenommen, wir würden dir in Würdigung deiner Verdienste um die Laterankirche den Auftrag erteilen – hättest du einen Vorschlag, wie der Brunnen aussehen soll? Einen Einfall, eine Idee oder dergleichen?«
Auf diese Frage hatte Francesco gehofft.
»Wenn Eure Heiligkeit sich dazu bequemen könnte, selber Einblick zu nehmen?«
Während Innozenz, gefolgt von seiner Schwägerin, von seinem Thron herabstieg, breitete Francesco auf einem Tisch den mitgebrachten Entwurf aus. Und ob er eine Idee hatte! Plötzlich war er so aufgeregt, dass sich seine Stimme fast überschlug, als er die Zeichnung erklärte.
»Die Idee ist ganz einfach«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf das Papier. »Ein Obelisk, Sinnbild des Kreuzes, mit zweimal zwei allegorischen Figuren, welche die größten Ströme der vier Weltteile darstellen. Auf diese Weise kündet der Brunnen vor der Wohnung des Papstes von der Herrschaft des Christentums über die ganze Erde.«
Francesco verstummte in der Hoffnung, dass sein Entwurf für sich selbst sprach. Während Innozenz sich nachdenklich den dünnen Kinnbart strich, mehrmals mit dem Kopf nickte und »aha« und »soso« vor sich hin murmelte, gab seine Schwägerin in keiner Weise zu erkennen, was sie von der Zeichnung hielt. Schweigend beugte sie sich über das Blatt, drehte es mit denHänden, um es mal von rechts, mal von links zu betrachten, trat einen Schritt zurück und beugte sich dann wieder über den Tisch.
Gespannt beobachtete Francesco ihr Mienenspiel. Was ging in ihrem Kopf vor? Welche Wirkung löste sein Entwurf in ihr aus? Bereitete der Anblick ihr die gehörige Augenlust? War sie erstaunt, überrascht, verblüfft? Oder ließ der Entwurf sie gleichgültig und kalt, langweilte er sie womöglich? Schließlich gab es in Rom schon einige Obeliskendenkmäler, zum Beispiel auf der Piazza di San Giovanni in Laterano. Erkannte sie die geheime Beziehung, die er mit der Doppelung anstrebte? Dass beide Obelisken aufeinander verwiesen, die Bischofskirche des Papstes an dessen private Residenz gemahnte und umgekehrt, symbolische Verschränkung der religiösen wie weltlichen Allmacht des Pontifex? Francesco wusste: Was immer Innozenz empfinden mochte, ohne Donna Olimpias Zustimmung würde er ein so kostspieliges Werk niemals in Auftrag geben.
»Das ist etwas vollkommen anderes, als wir erwartet haben, Signor Borromini«, sagte sie schließlich, jedes Wort einzeln betonend. »Wir hatten selbst schon an einen Obeliskbrunnen gedacht, auch die Darstellung der Weltströme erwogen, aber ganz bestimmt nicht die Verbindung von beidem.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor sie weitersprach. »Ein wirklich glänzender, ja phantastischer Einfall!«, erklärte sie dann. »Die Idee würde selbst dem Cavaliere Bernini zur Ehre gereichen. Meine Gratulation!«
»Nun, in der Tat«, brummte Innozenz, »auch uns will bedünken, dass es sich um einen durchaus gelungenen Entwurf handelt. Durchaus, durchaus …«
Francesco fühlte sich, als habe eine gigantische Faust, die eben noch sein Herz umklammert hielt, plötzlich ihren Griff gelöst. »Der Einfall gefällt Ihnen? Die Idee sagt Ihnen zu?«, fragte er, als müsse er sich noch einmal der Zustimmung vergewissern. »Wenn die Zeichnung Mängel aufweist, bitte ich zu berücksichtigen,dass es sich um eine erste Skizze handelt. Und was die Kosten betrifft«, fügte er eilig hinzu, ohne dass jemand danach gefragt hatte, »so darf ich darauf hinweisen, dass an der Via Appia im Zirkus des Maxentius ein vollständig erhaltener Obelisk liegt. Er ist zwar in vier Stücke zerbrochen …«
»Je mehr wir darüber nachdenken«, sagte Innozenz, »desto mehr können wir uns mit der Vorstellung anfreunden. Nein, du hast uns wahrlich nicht enttäuscht.«
»… aber es dürfte nicht schwer fallen, die einzelnen Teile so zusammenzufügen, dass man die Spolie ohne Gefahr wird aufrichten können.«
»Eine andere Frage scheint mir von ungleich größerer Wichtigkeit«, wandte Donna Olimpia ein, die immer noch den Entwurf betrachtete. »Womit wollen Sie den Obelisken bekrönen?«
»Üblich wäre ein Kreuz«, sagte Francesco, »doch ich hatte an eine Weltkugel
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