Die Principessa
anderes übrig, als selber eine Lösung zu finden.«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst, Cavaliere! Sie dürfen Ihre Zeit nicht mit diesen technischen Dingen vergeuden! Wenn die Pläne in Signor Borrominis Schublade liegen, muss man sie eben daraus hervorholen.«
»Nichts lieber als das, Eccellenza, nur fürchte ich, er wird sie mir nicht geben. Vergessen Sie nicht: Als Monsignore Spada ihn darum bat, hat er vor Wut einen Arbeiter erschlagen.«
»Nun, vielleicht war es ein Fehler, sie einfach so von ihm zu verlangen. Vielleicht wäre es klüger, sie nur für kurze Zeit von ihm – auszuleihen.« Sie zwinkerte ihm komplizenhaft zu. »Er muss es ja nicht unbedingt wissen.«
»Und wie könnte das geschehen?«, fragte Lorenzo neugierig.
»Ach, Sie sind wirklich ein Künstler, ganz und gar!« Sie lachte.
»Der dümmste Sekretär des Vatikans würde wissen, was in einem solchen Fall zu tun ist. Signor Borromini hat doch eine Nachbarin, die in seinem Haushalt nach dem Rechten sieht, nicht wahr?«
Jetzt begriff er, worauf Donna Olimpia hinauswollte. »Aber die ist doch schon über sechzig!«, platzte er heraus.
»Meinen Sie, darum wäre sie für Schmeicheleien unempfänglich? Sie enttäuschen mich, Cavaliere. Ich dachte, Sie verstünden mehr von Frauen.«
»Sie missverstehen mich«, protestierte Lorenzo eilig und hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. »Ich meinte nur, eine Frau, die Borromini schon seit so langer Zeit dient, wird sich nicht auf einen Diebstahl einlassen.«
»Wer redet denn von Diebstahl?«, fragte Donna Olimpia, bereits wieder versöhnt. »Wenn es sich um den künstlerischen Einfall handeln würde, die Grundidee mit dem Obelisken und den Flussgöttern, tja, dann würde ich Ihnen beipflichten. Aber hier geht es doch nur um technische Details, die der verstockte Mensch sich weigert herauszugeben, obwohl der Heilige Vater sie von ihm verlangt. Herrgott, was macht es schon aus, wenn einer von Ihren Leuten ein paar Stunden mit Signor Borrominis Nachbarin verbringt?«
Sie blickte ihn mit ihren dunklen Augen so wohlwollend an, dass Lorenzos Zweifel dahinschmolzen wie Butter in der Sonne. Streng betrachtet hatte sie vollkommen Recht: Es wäre gar kein Diebstahl, man würde nur den Willen des Papstes ausführen. Die Vorstellung, auf so einfache Weise sein Problem zu lösen, war auf jeden Fall mehr als verlockend. Und ihm fiel auch jemand ein, der für einen solchen Plan zu gebrauchen wäre,jemand, der im Notfall seine eigene Großmutter bespringen würde.
»Meinen Sie wirklich, ich sollte? Ich denke, mein Bruder Luigi …«
Donna Olimpia zuckte mit den Achseln. »Das ist allein Ihre Entscheidung, Cavaliere. Aber jetzt verraten Sie mir endlich«, wechselte sie plötzlich das Thema, »was ist Ihr Einfall für mein Porträt? Oder nein, sagen Sie nichts, ich möchte es selber herausfinden.« Sie nahm ihm die Zeichnung aus der Hand. Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie das Blatt eine Weile, dann nickte sie, und während ihre silbrig durchsetzten Ringellocken auf und ab tanzten, sagte sie: »Das ist wundervoll, wirklich wundervoll! Die Verbindung von Würde und Liebreiz. Ein jeder muss das erkennen. Habe ich Recht?«
»Sollte ich eine Eigenschaft an Ihnen noch mehr bewundern als diese beiden Tugenden, die in der Tat das Thema meines Porträts ausmachen, so wäre dies Ihr Geist, Eccellenza, mit dem Sie die Dinge so klar erfassen.«
»Was für schöne Worte Sie immer wieder finden!«, sagte sie, während sie ihm immer dichter auf den Leib rückte. »Übrigens, ich habe ganz vergessen, Ihnen für die Obstkörbe zu danken. Sie machen mir damit täglich eine große Freude.«
»Ihre Freude ist mein Glück. Ich werde Anweisung geben, Ihnen täglich zwei Körbe zu schicken.«
»Nur mir allein?«, fragte sie, und ihr helles Glucksen ging in ein dunkles Gurren über. Sie war ihm jetzt so nah, dass er ihren Atem auf seinem Gesicht spürte. »Haben Sie meine Cousine denn ganz vergessen?«
Bevor Lorenzo es sich versah, streichelte sie seine Wange, und während sie sein Kinn in ihrer Hand hielt, blickte sie ihn voller Erwartung an. Lorenzo spürte, wie sein Herz zu rasen anfing. Nein, das war weder Einbildung noch Täuschung! Zu viele Frauen hatten ihn in seinem Leben schon so angeschaut, als dass er sich irren konnte. Donna Olimpia erwartete nur eins: dass er sie küsste.
»Und wenn die Principessa jetzt hereinkommt?«, fragte er.
Statt ihm zu antworten, schloss sie die Augen und öffnete ihre Lippen. Panik
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