Die Principessa
ins Gebet nimmt. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist es sehr, sehr schwer, ihn umzustimmen. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche.«
»Im Palazzo Pamphili ist schon die Rede davon, ihn vor Gericht zu zerren.«
»Trotzdem, um seine Haut zu retten, wird er die Arbeit nicht wieder aufnehmen. Er ist so stolz, dass er nicht mal Geld für seine Arbeit verlangt und nur nimmt, was man ihm freiwillig gibt. Wenn überhaupt eine Drohung helfen kann, dann eher noch die der ewigen Verdammnis. Schließlich hat er einen Menschen umgebracht.«
»Sie meinen, man könnte ihm für die Fertigstellung der Papstkirche einen Ablass in Aussicht stellen?«
»Es wäre immerhin einen Versuch wert, Principessa. Seit es den Menschen gefällt, wider die Gebote Gottes zu handeln, trachten sie danach, mit irdischen Gütern ihr Seelenheil zuretten – ein guter und nützlicher Brauch. Allerdings« – Spada hob die Arme –, »ob Signor Borromini zu diesen Menschen gehört, wage ich zu bezweifeln. Manchmal denke ich, er ist recht stark von den Lehren des deutschen Ketzers Martin Luther infiziert. Und außerdem liest er in jeder freien Stunde die Schriften dieses gefährlichen Seneca.«
»Ach, hätte er nur auf Seneca gehört«, erwiderte Clarissa, »dann wäre das alles nicht geschehen!«
Spada hob erstaunt die Brauen. »Wie bitte?«
»Lehrt Seneca nicht, dass wir uns nicht von unseren Gefühlen hinreißen lassen dürfen? Und wie sehr hat Signor Borromini sich hinreißen lassen! Als brauche er weder Strafe noch Tod zu fürchten.«
»Das gerade predigt ja dieser Seneca!
Exactissime!«,
rief Spada erregt und sprang auf, um im Garten auf und ab zu gehen. »Dass wir den Tod nicht zu fürchten brauchen. Und unser Freund Borromini eifert ihm ganz offensichtlich nach. Wissen Sie, was Seneca über den Tod sagt?« Er blieb auf seiner Wanderung stehen und blickte Clarissa an.
Sie nickte. »›Wir fürchten nicht den Tod, sondern den Gedanken an ihn …‹«
»Es schmerzt mich, diesen frevelhaften Unsinn aus Ihrem Mund zu hören!«, rief Spada, und seine Augen funkelten vor Zorn, während er seine Wanderung wieder aufnahm. »Als hätten wir nicht allen Grund, uns vor dem Tod zu fürchten, erwartet uns danach doch das Jüngste Gericht. Aber das kümmert den Philosophen nicht. Wie sagt er? ›Im Leben muss man sich immer nach den andern richten, im Tode nicht …‹ Ja, wer bekommt da keine Lust zu sterben? Da scheint das Leben, das Gott uns geschenkt und aufgegeben hat, mit all seinen Pflichten und Prüfungen, damit wir uns für das Himmelreich bewähren, wie eine schreckliche Mühsal, der es möglichst rasch zu entrinnen gilt. Himmlischer Vater! Wenn selbst der Tod seinen Schrecken verloren hat – was soll einen Menschen dann überhaupt noch schrecken? Müssen wir uns da wundern, wenn unser Freund sich nichtdrohen lässt?« Erneut blieb Spada vor Clarissa stehen und schüttelte den Kopf. »Wie oft habe ich Borromini geraten, die Finger von Senecas Schriften zu lassen, aber er wollte und wollte nicht auf mich hören.«
Clarissa erkannte ihren Beichtvater kaum wieder, so erregt war der sonst stets so kluge und gefasste Geistliche. Doch sie begriff zugleich, dass dieser Gefühlsausbruch allein der Sorge um ihren Freund entsprang, und diese Erkenntnis bedrückte sie umso mehr.
»Können wir denn gar nichts tun?«, fragte sie leise. »Donna Olimpia schlägt dem Papst schon vor, die Arbeiten an der Laterankirche Cavaliere Bernini zu übertragen. Wenn das geschieht – nicht auszudenken! Ich glaube, das würde Signor Borromini vernichten. Das ist das Einzige, wovor er wirklich Angst hat.«
»Ja, das glaube ich auch.« Spada nickte. »In der Tat, das würde er nicht verkraften, ganz sicher nicht, das wäre sein Ende.« Wieder und wieder nickte er, als könne er sich das Unglück nicht deutlich genug machen. Plötzlich aber hielt der Monsignore inne und schaute sie an. »Was haben Sie da gesagt? Das Einzige, wovor er wirklich
Angst
hat?«
»Ja«, sagte Clarissa. »Wenn Bernini ihm nach dem Brunnen auch noch San Giovanni wegnehmen würde – das wäre zu viel!«
Ein Leuchten ging über Spadas Gesicht. »Vielleicht«, sagte er dann mit einem feinen Lächeln, »vielleicht, meine Tochter, können wir doch etwas tun.«
»Wirklich?«, fragte sie, vorsichtig Hoffnung schöpfend. »Ist Ihnen eine Lösung eingefallen?«
»Eine Lösung noch nicht, aber doch ein möglicher Weg. Man kann die Dinge schließlich so oder so betrachten, es
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