Die Principessa
stieg in ihm auf. Er musste heraus aus dieser Umklammerung! Aber wie? Wenn er sie jetzt zurückwies, würde sie tödlich beleidigt sein und ihn für immer hassen. Heilige Muttergottes, was sollte er nur tun? Plötzlich hatte er eine Idee, und obwohl sie die erstbeste war, die ihm in den Sinn kam, beschloss er, es darauf ankommen zu lassen.
»Ich … ich habe eine Bitte, Donna Olimpia. Aber … ich weiß nicht recht, ob ich sie äußern darf, ohne die Schicklichkeit zu verletzen.«
»Pssst«, machte sie nur und kam mit ihren Lippen immer näher.
»Ich bin sicher, es wird mir ein Vergnügen sein, sie Ihnen zu gewähren. Was immer es auch sein mag.«
»Ich möchte Sie bitten, den Smaragd für mich zu tragen.«
»Den Smaragd?« Zu Lorenzos großer Verwunderung und noch größerer Erleichterung hielt sie in ihrer Bewegung inne, und statt ihn zu küssen, riss sie die Augen auf. »Sie meinen den Ring des englischen Königs?«
Sie ließ sein Kinn los und trat einen Schritt zurück, als wäre er plötzlich vom Aussatz befallen. Nervös zupfte sie an ihrem Kleid und rückte sich den Ausschnitt zurecht. Ihre Sicherheit schien ebenso dahin wie ihr Verlangen.
»Ja«, sagte er, über die Wirkung seiner Bitte staunend. »Ich bin sicher, der Stein würde Ihr Porträt vollkommen machen, vereint er doch Würde und Liebreiz ebenso perfekt wie Sie.«
»Sie mögen Recht haben, ja, durchaus«, stammelte sie. »Es ist nur, dass ich ihn gerade nicht zur Hand habe. Ich … ich fürchte, meine Zofe hat ihn verlegt …«
Sie hatte die Worte noch nicht ausgesprochen, da ging die Tür auf. Lorenzo zuckte zusammen. Doch nicht die Principessa, sondern ein Diener betrat den Raum und verbeugte sich vor Donna Olimpia, die über sein Erscheinen ausgesprochen froh zu sein schien.
»Ein Mönch, Eccellenza, der seinen Namen nicht nennen will«, sagte der Diener. »Er wünscht Sie zu sprechen und behauptet, Sie wüssten Bescheid.«
13
Whetenham Manor,
Weihnachten im Jahre des Herrn 1648
Meine innig geliebte Tochter
,
ich grüße Dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Meine Augen sind fast erblindet und meine Ohren taub, mein Kind, und doch danke ich Gott, unserem Herrn, dass er mir altem Mann, der ich schon mit einem Bein im Grabe stehe, die Sinne geraubt hat, damit ich nicht hören muss noch sehen, was sich in diesen fürchterlichen Zeiten in unserem geliebten England ereignet. Mister Cromwell und seine Horden haben die Macht endgültig an sich gerissen und den König hingerichtet, unter dem Vorwand, er habe Krieg gegen sein Volk geführt. Wer nicht den Irrlehren dieses unbarmherzigen Mannes folgt, ist seines Lebens nun nicht mehr sicher. Vor allem unsere katholischen Glaubensbrüder wagen sich kaum noch aus dem Haus, und ich habe es wohl allein meinem Alter zu danken, wenn ich verschont bleibe.
Hätte ich nicht den einen Wunsch, Dich, meine über alles geliebte Tochter, noch einmal in meine Arme zu schließen, ich stünde keine Sekunde an, den Allmächtigen um die Gnade anzuflehn, mich zu sich in Sein ewiges Reich zu rufen. Doch wie die Dinge stehen, muss ich Dir verbieten, zu uns zurückzukehren, ob ich gleich nichts dringlicher ersehne als eben dies …
Clarissa ließ den Brief ihres Vaters sinken. Würden in ihrer Heimat denn nie wieder Ruhe und Friede einkehren? Nein, allem Anschein nach nicht, in England so wenig wie hier in Rom. Überallbekriegten sich die Menschen, trachteten einander nach dem Leben, kämpften um Rang und Ruhm, und fast immer führten sie ihren Glauben an, um ihre fürchterlichen Taten zu rechtfertigen – im Streit um den wahren Gott ebenso wie im Streit um die wahre Kunst.
Ihr einziger Trost war, dass Francesco Borromini inzwischen die Arbeit in der Lateranbasilika wieder aufgenommen hatte. Der Plan von Monsignore Spada war aufgegangen: Die Drohung, dass sein verhasster Rivale ihn auch noch bei der Umgestaltung der Bischofskirche des Papstes verdrängen könne, hatte ihn erst zur Raserei und dann zur Vernunft gebracht, sodass er seine Weigerung endlich aufgegeben hatte.
Clarissa blickte auf. Aus dem Nebenzimmer waren Stimmen zu hören, ein Mann und eine Frau. Die Stimme der Frau gehörte Donna Olimpia – doch die des Mannes? Clarissa hatte wenig Zweifel, um wen es sich handelte. Das war sicher Bernini, der ihre Cousine einmal mehr besuchte. Seit er an ihrem Porträt arbeitete, ging er fast täglich bei Donna Olimpia ein und aus, nun schon seit fast einem Jahr.
Clarissa nahm
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