Die Principessa
geklappert, ich weiß nicht, ob vor Kälte oder vor Angst, und geschimpft hat er, dass ich es nicht wiedergeben kann, ohne zu erröten. Dabei hielt er die Augen geschlossen, wie die Führer uns angewiesen hatten, damit uns nicht schwindlig wurde. Ich habe aber doch ab und zu geblinzelt – die steilen Schluchten und Abgründe sind gar wirklich beängstigend. Die Häuser im Tal waren so winzig klein, dass ich sie kaum noch erkennen konnte, und manchmal dachte ich, gleich stoßen wir an den Himmel.
Was nun mein Leben in Rom betrifft, so können Sie ebenso beruhigt sein wie William, der immerfort fürchtet, man könne unseren Aufenthalt dem englischen Gesandten anzeigen. Doch das ist ausgeschlossen – Pamphili hält mich hier ja wie eine Gefangene! Jenseits der dicken Palastmauern warten so viele Geheimnisse und Abenteuer darauf, entdeckt zu werden, und ich darf keinen Fuß vor die Tür setzen – es sei denn, um die Messe zu
besuchen, verhüllt wie eine Muselmanin. Wie gerne würde ich die Altertümer sehen, die Paläste und Kirchen, vor allem aber die Werke des Michelangelo Buonarroti, von dem die ganze Welt spricht! Wenn ich daran denke, Rom vielleicht bald wieder zu verlassen, ohne etwas von der Herrlichkeit dieser Stadt gesehen zu haben, könnte ich weinen. Allein, mein Kerkermeister duldet nicht, dass ich mich in der Öffentlichkeit zeige. Ganz anders Donna Olimpia! Sie ist mir in der kurzen Zeit schon eine richtige Freundin geworden, auch wenn es mir immer noch schwer fällt, sie mit Du anzusprechen. Voller Anteilnahme erkundigt sie sich nach meinen Verhältnissen zu Hause. Dabei merke ich erst, wie dumm und unerfahren ich bin, weiß ich doch auf ihre Fragen nur selten eine vernünftige Antwort. Warum zum Beispiel wünscht der König meine Verheiratung mit Lord McKinney? Hat dies, wie Olimpia vermutet, damit zu tun, dass wir dem Adel angehören und gleichzeitig Katholiken sind? Umso mehr freut es mich, dass ich Olimpia in einer Sache dienlich sein kann. Stellen Sie sich nur vor, meine Cousine kann weder lesen noch schreiben! Dabei ist sie so wissbegierig und aufmerksam. Was sie einmal gehört oder gesehen hat, merkt sie sich für immer. Täglich nehmen wir uns mehrere Stunden Zeit für den Unterricht, obwohl sie doch den großen Haushalt führen muss und sich außerdem rührend um ihren kleinen Liebling kümmert, Camillo, ihren Sohn, einen allerliebsten Lockenkopf mit schwarzen Knopfaugen.
Pamphili, meinen Kerkermeister, bekomme ich nur bei Tisch zu Gesicht, und ich müsste lügen, wollte ich diesen Umstand bedauern. Alles, was er will, ist ein unterwürfiges Weib an seiner Seite. Wenn er den Mund aufmacht, dann nur, um mit säuerlicher Miene über uns Frauen zu klagen: dass wir es an der gebotenen Demut mangeln ließen und uns in Dinge einmischen wollten, von denen wir nichts verstünden, statt unseren natürlichen Pflichten nachzukommen. Als würde Donna Olimpia je etwas anderes tun!
Mindestens einmal am Tag bekommt Olimpia Besuch von ihrem Schwager, einem richtigen Monsignore, der einem Kloster unweit Roms vorsteht. Das ist ein so hässlicher Mensch, wie ich noch keinen zweiten gesehen habe, ein wahres Spottgesicht, von Pockennarben entstellt, doch scheint er ein gutes Herz zu haben. Während sein Bruder, der hochmütige Principe
,
sich nie mit Olimpia bespricht, hält der Abt so große Stücke auf sie, dass er keine Entscheidung trifft, ohne sich zuvor mit ihr zu beraten; ja, er verlässt nicht eher das Haus, als bis sie ihm ihren Zuspruch erteilt. Er ist der eigentliche Grund für Donna Olimpias Eifer, das Lesen und Schreiben zu erlernen (natürlich hinter dem Rücken ihres Mannes), wird er doch in diesen Tagen vom Papst als Nuntius nach Spanien entsandt. Sie wollen korrespondieren. Und da Olimpia nichts so sehr am Herzen liegt wie das Wohl der Familie Pamphili, nimmt sie die Mühen des Lernens ohne zu murren auf sich.
Doch jetzt muss ich schließen. Gerade klopft es an der Tür – das wird meine Freundin sein. Donna Olimpia veranstaltet heute zum Abschied ihres Schwagers ein Fest. Wenn ich die Geräusche im Haus richtig deute, treffen die ersten Gäste ein, und ich habe mich noch nicht umgezogen. Was meinen Sie, soll ich das Kleid mit dem Spitzenbesatz tragen, welches Sie mir zum achtzehnten Geburtstag schenkten? Das ist noch kein halbes Jahr her, und doch erscheint es mir wie eine Ewigkeit.
Ich grüße Sie in Liebe und Verehrung als
Ihre stets gehorsame Tochter
Clarissa Whetenham
PS.
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