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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Pflicht.«
    »Das heißt«, Clarissa wagte kaum, die Frage auszusprechen, »ich muss – in ein Gefängnis?«
    Lord Wotton seufzte. »Wissen Sie, die Politik ist ein großes Durcheinander, und die Kunst besteht darin, dieses Durcheinander stets zum Vorteil der eigenen Partei zu nutzen. Danken Sie Gott, dass sich Ihre Cousine auf diese Kunst ebenso gut versteht wie König Jakob!« Er schaute sie mit seinen grauen Augen an, und ein Ausdruck, als quäle ihn ein unbestimmter Schmerz, huschte über sein Gesicht. »Donna Olimpia ist eine erstaunliche Diplomatin. Ein Glück, dass sie kein Mann ist, sie hätte das Zeug zum Papst. Warum hat sie eigentlich solches Interesse daran, dass Sie in Rom bleiben?«
    »Ich unterrichte sie in Lesen und Schreiben. Doch ich fürchte, ich begreife nicht. Was hat das alles miteinander zu tun?«
    »Mehr als Sie ahnen«, sagte Wotton und führte sie zu einer Bank.
    »Doch bitte, setzen wir uns! Sie sind ja ganz blass.«
    Dankbar nahm Clarissa seinen Arm und ließ sich auf das Polster sinken. Ihr war so schwindlig wie zuletzt auf dem Mont Cenis bei der Überquerung der Alpen.
    »Ich glaube, ich sollte Ihnen ein paar Dinge erklären«, sagte Lord Wotton, während er ihr gegenüber Platz nahm. »Am besten, wir fangen ganz von vorn an. Haben Sie eine Vorstellung, mein Kind, wie viele Konfessionen es in unserer Heimat gibt, ich meine, außer der Kirche von England?«
    »Nicht die geringste«, antwortete sie.
    »Ich auch nicht.« Er seufzte wieder. »Und eben das ist das Problem. Wir haben zu viele Religionen, und jede behauptet, sie sei die allein selig machende. Darum haben ihre Anhänger nichts Besseres zu tun, als übereinander herzufallen. Das nennen sie Bekehrung, und die hat den Vorteil, dass man sich in Gottes Namen totschlagen darf.« Er unterbrach sich und holte umständlich ein Tuch aus seiner Rocktasche. Während er es auffaltete, fuhr er fort: »Um das zu unterbinden, hat König Jakob seinenErben Karl mit der katholischen Henriette Maria von Frankreich verheiratet, ein bildhübsches Geschöpf übrigens, und seine Tochter Elisabeth, die, unter uns gesagt, weit weniger hübsch ist, mit dem protestantischen Kurfürsten Friedrich von der Pfalz. Können Sie mir bis hierhin folgen?«
    Clarissa nickte tapfer.
    »Gut, denn jetzt kommen wir zu Ihnen. Vielleicht ahnen Sie inzwischen ja, warum Sie Lord McKinney heiraten sollen?«
    »Sie wissen, dass ich heiraten werde?«, fragte Clarissa verblüfft. »Politiker wissen alles – jedenfalls mehr als ihnen lieb ist«, erwiderte Lord Wotton. »Doch zurück zu unserer Frage. Wenn König Jakob Sie, Clarissa Whetenham, eine katholische Engländerin, dem schottischen Presbyterianer McKinney zur Frau gibt, will er damit nicht nur ein Zeichen der Versöhnung zwischen den Religionen setzen, sondern zugleich, sozusagen durch das Band der Liebe, seinem alten Ziel ein Stück näher kommen, England und das störrische Schottland zu vereinen – auch wenn dieses Ziel, wenn Sie mich fragen, eine ebenso große Illusion ist wie die Liebe. So, mein Kind«, sagte er schließlich und wischte sich wie nach einer großen Anstrengung mit dem Tuch die Schweißperlen von seiner grauen Stirn, »ich glaube, jetzt sind Sie einigermaßen im Bilde.«
    Clarissa brauchte ein paar Sekunden, um seine Worte zu verarbeiten. Der Kopf tat ihr fast weh davon, als plötzlich eine Hoffnung in ihr aufkeimte, ganz heimlich und undeutlich zuerst, doch dann immer klarer und stärker.
    »Und wenn Sie jetzt«, fragte sie so vorsichtig, als könne sie ihren eigenen Worten nicht trauen, »dem König meinen Aufenthalt in Rom anzeigen – was passiert dann?«
    »Dann« – Wotton seufzte ein drittes Mal –, »dann müssen Sie Ihre Rückkehr nach England wohl eine Weile verschieben. Zum Beispiel, bis sich die Aufregung über Sie am Hofe gelegt hat oder der König stirbt, was ja, so Gott will, noch ein bisschen dauern kann.«
    »Das heißt – ich
muss
vorläufig in Rom bleiben?«
    »Am besten, Sie vertreiben sich die Zeit damit, die Ruinen und Kirchen zu besichtigen, davon gibt es hier ja mehr als genug«, erwiderte Wotton mit bekümmerter Miene wie ein Lehrer, der allzu lange auf die richtige Antwort eines Schülers hat warten müssen, und steckte sein Tuch so umständlich in die Rocktasche zurück, wie er es aus ihr hervorgeholt hatte. »Und habe ich nicht gesagt, dass Ihre Cousine eine bewundernswert kluge Frau ist?«
    Wie auf ein Zeichen trat in diesem Augenblick Olimpia zu ihnen.
    »Nun,

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