Die Principessa
gefällt dir meine Überraschung?«, fragte sie.
»William wird mich umbringen!«, rief Clarissa. »Aber was mich betrifft, ich kann mir nichts Schöneres wünschen!« Vor Freude schlang sie ihrer Cousine die Arme um den Hals und gab ihr einen Kuss.
»Hast du den Verstand verloren?«, herrschte Olimpia sie an. Doch im nächsten Moment war der verärgerte Ausdruck aus ihrem Gesicht bereits verflogen. »Eine Frau«, sagte sie, nun wieder mit der gewohnten Liebenswürdigkeit, »sollte sich nie von ihren Gefühlen hinreißen lassen. Was nützt der strenge Knoten in deinem Haar, wenn du dein Herz triumphieren lässt? Aber da fällt mir ein, ich habe dich noch gar nicht eingeführt.
Signore e signori
«, wandte sie sich an ihre Gäste, »es ist mir eine Ehre, Ihnen heute Abend meine Cousine vorzustellen. Wie Sie unschwer erkennen, ist sie aus einem fernen Land zu uns gereist. Allein aus Gründen, die ich nicht preisgeben kann«, fügte sie mit einem verschwörerischen Blick auf Lord Wotton hinzu, »ist es mir verwehrt, ihren Namen zu nennen, doch versichere ich Ihnen, sie ist eine Frau von Stand und Geblüt. Wenn Sie das Wort an sie richten, nennen Sie sie darum bitte« – Olimpia machte eine kurze Pause – »Principessa!«
Principessa
– der Titel summte Clarissa noch im Ohr, als sie Stunden später im Bett lag. Viel zu aufgeregt, um an Schlaf zu denken, ließ sie die Bilder des Abends Revue passieren, wieder und wieder. Sie, nicht der hässliche Pamphili, war der Mittelpunktder Gesellschaft gewesen: Principessa hier, Principessa da! Ein halbes Dutzend Heiratsanträge hatte man ihr gemacht! Doch nicht nur die jungen Männer, auch die anderen Gäste Olimpias hatten sie bestürmt, Bischöfe und Fürstinnen, bis tief in die Nacht, während der Monsignore mürrisch und allein in seinem Lehnstuhl saß. Jeder hatte sich mit ihr unterhalten wollen, begierig, ihre Herkunft zu erfahren. Doch sie hatte nichts verraten, weder wer sie war noch wie sie hieß. Was für ein herrliches Spiel!
Mit einem Seufzer schloss sie die Augen. Wer weiß, vielleicht plante zu dieser Stunde schon einer ihrer Verehrer, sie zu entführen? Eine Kutsche mit verhangenen Fenstern in dunkler Nacht, im rasenden Tempo über Straßen ratternd, die man nicht sehen kann – das war ihre Vorstellung vom Glück. Rom schien ihr genau die Stadt zu sein, die sie zur Verwirklichung solcher Träume brauchte. Und jetzt durfte sie Monate in dieser Stadt bleiben, vielleicht sogar Jahre – Olimpia hatte dafür gesorgt.
Noch im Morgengrauen sprang Clarissa aus dem Bett. Wenn sie Glück hatte, waren die Küchenmägde schon wach und bereiteten ihr ein Frühstück. Sie streifte sich einen Umhang über und verließ das Zimmer. Fröstelnd eilte sie die endlosen Flure entlang, mit bloßen Füßen auf dem kalten Marmor, als sie plötzlich stutzte. Aus der dunklen Kapelle des Palazzos war ein Tuscheln zu hören, ein seltsames Flüstern und Rascheln. Nanu, um diese Zeit?
Verwundert trat Clarissa näher und spähte durch den Türspalt. Zuerst konnte sie in dem Zwielicht nichts erkennen, doch dann erblickte sie auf der Bank vor dem Beichtstuhl die Umrisse zweier Gestalten, die einander umschlungen hielten.
»Ohne dich«, hörte Clarissa eine Männerstimme sagen, »bin ich wie ein Schiff, das ohne Steuermann auf hoher See treibt. Ich werde dir täglich schreiben.«
»Und ich werde dir täglich antworten«, erwiderte eine Frauenstimme. »So können wir uns beraten, wie wir es immer getan haben.«
Clarissa stockte der Atem. Das war Donna Olimpia, kein Zweifel! Doch die andere, die männliche Stimme – wem gehörte die? Jetzt drehte die größere Gestalt sich um, und für eine Sekunde blickte Clarissa in das hässliche, von einer Kapuze umhüllte Gesicht eines Mönchs. Monsignore Pamphili! Erschrocken huschte sie zurück zu ihrem Zimmer. Irgendwo jammerte ein Kind. Wahrscheinlich war der kleine Camillo aufgewacht.
Eine Minute später lag Clarissa wieder in ihrem Bett. Doch an Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Was hatte das zu bedeuten? Ein Abschied in der Kapelle? Zwischen Donna Olimpia und Monsignore Pamphili? Im frühen Morgengrauen? Immer wieder sah sie das verwirrende, ebenso beängstigende wie verführerische Bild der zwei umschlungenen Gestalten vor sich.
»Hast du gut geschlafen, Principessa?«
Den kleinen Camillo auf dem Arm, begrüßte Olimpia sie später beim Frühstück so unbefangen, dass Clarissa sich fragte, ob sie die Szene in der Kapelle nur
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